Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 05.04.2007

Kommt die Brücke – oder nicht?

Bis die Dresdner Waldschlößchenbrücke wirklich befahrbar ist, fällt es noch immer schwer, daran zu glauben, dass sie überhaupt gebaut wird.
 
Am Geld soll es nicht scheitern. Wenigstens in dieser Hinsicht sorgte Sachsens Regierung gestern noch einmal für Klarheit im emotional hochgekochten Dresdner Brückenstreit. Auch die kurzzeitig verhängte Millionen-Sperre für Straßenprojekte bei den drei Regierungspräsidien ist wieder aufgehoben. Doch wer gedacht hätte, dass damit alles klar ist, der hat sich getäuscht. Nachdem nun auch die Bundesregierung aktiv in den Streit eingegriffen hat, wird die Lage immer unübersichtlicher. Die SZ stellt darum die drei wichtigsten Szenarien vor, wie es weitergehen kann.

Szenario 1: Die Brücke kommt, der Welterbe-Titel wird aberkannt.
Die Stadt Dresden ist in einer beinahe schizophrenen Lage. Einerseits verpflichtet sie der Bürgerentscheid aus dem Jahr 2005 zum Bau, andererseits fordert die Stadtratsmehrheit den Erhalt des Welterbetitels. Die Stadt will die Aufträge vergeben, hat aber auch Verfassungsbeschwerde gegen die Bau-Anordnung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts eingelegt. Sollte die sächsische Vergabekammer, die von unterlegenen Baufirmen eingeschaltet wurde, in den kommenden fünf Wochen grünes Licht für die Auftragsvergabe erteilen, könnte die Stadt die Bagger bestellen. Es sei denn, Firmen klagen gegen die Vergabe vor Gericht, was wieder Verzögerung bedeuten würde.

Doch irgendwann sind die rechtlichen Schritte ausgeschöpft – und falls die Kammer und Gerichte nichts beanstanden, fällt der Startschuss für das Großprojekt. Dann wird die Brücke frühestens 2010 fertig sein.

Fazit: Der Bürgerentscheid ist ein starkes Pfund. War bei der Vergabe alles rechtens, ist der Bau wahrscheinlich.

Szenario 2: Eine andere Brücke wird gebaut, der Titel bleibt erhalten.
Eine von der Stadt einberufene Expertenrunde ist Ende Januar ohne Ergebnis auseinandergegangen. Der Stadtrat hat Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU) aber aufgefordert, Alternativplanungen zu entwickeln. „Das geschieht in seinem Geschäftsbereich, wird allerdings nicht bei der Ratssitzung am 12. April fertig sein“, sagt Stadtsprecher Kai Schulz. Mehrere Architekten haben bereits von sich aus Kompromiss-Varianten entwickelt. Der Präsident des städtischen Welterbekuratoriums, Ingo Zimmermann, betonte unlängst, nach seiner Einschätzung sei die Unesco in Paris für Alternativ-Entwürfe aufgeschlossen. Auch Verkehrsminister Thomas Jurk (SPD) hat kürzlich in einem Brief an die Deutsche Unesco-Kommission erneut dafür geworben, gemeinsam einen „tragfähigen Kompromiss“ zu finden.

Das Dresdner Regierungspräsidium weist als Planfeststellungsbehörde aber darauf hin, dass es nur für die aktuelle Variante Baurecht erteilt habe. Frischen Wind in die Debatte hat nun gestern aber wieder Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gebracht. Er droht, die Bundes-Fördermittel in Höhe von etwa 80 Millionen Euro zu verweigern, wenn Dresden an dieser Brückenvariante festhält. Das verstärkt den Druck, einen Kompromiss zu finden.

Fazit: Ein Kompromiss wird zwar von vielen gewünscht, scheint aber nur schwer machbar.

Szenario 3: Es wird keine Brücke gebaut. Der Titel bleibt erhalten.
Sollte sich der Bau der Waldschlößchenbrücke bis ins nächste Frühjahr hinauszögern oder bis dahin nicht wesentlich vorangekommen sein, wäre es theoretisch möglich, sie auch noch mitten in der Bauphase zu stoppen. Denn im März 2008 läuft die Bindungsfrist für den alten Brücken-Bürgerentscheid aus. Das heißt – man mag’s kaum glauben –, dass dann ein simpler Stadtratsbeschluss oder ein neuer Bürgerentscheid den Bau oder den Weiterbau der Brücke erneut völlig infrage stellen könnte.

Dann könnte das Spiel möglicherweise völlig von vorne beginnen: Dresden müsste erneut eine Brücke planen – durchdacht mit allen möglichen Varianten. Nur: Ob die Stadt dann noch mit einer so hohen Förderung durch Land und Bund rechnen könnte, ist völlig ungewiss.

Fazit: Dieses Szenario ist momentan relativ unwahrscheinlich, aber theoretisch durchaus möglich.
Von Annette Binninger und Thilo Alexe