Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 15.05.2007
Was steht in den Akten?
Die Korruptionsaffäre schwelt seit Monaten. Jetzt wollen plötzlich alle ganz schnell handeln.
Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein spricht von einem einmaligen Fall. „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Seine Behörde könne nur auf die 16000 Blatt Papier aus dem Innenministerium warten, um die angebliche Verstrickung von Politik und Justiz in kriminelle Netzwerke endlich aufzuklären, sagt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Wie viel Dichtung und wie viel Wahrheit in den Aktenordnern steckt, weiß vermutlich nicht einmal der Verfassungsschutz selbst.
Die fünf Abgeordneten der Parlamentarischen Kontrollkommission, die den Verfassungsschutz kontrollieren sollen, stehen seit den Medienberichten über die Korruptionsaffäre gehörig unter Druck. Sie werden aller Voraussicht nach heute – nach sechsmonatiger Beratung – zustimmen, dass Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) das brisante Material der Justiz übergibt. „Und zwar ohne große Säuberungsaktion“, betont der CDU-Abgeordnete Frank Kupfer. Dass der Verfassungsschutz allerdings die Unterlagen herausrückt, ohne seine Quellen vorher zu schwärzen, ist sehr unwahrscheinlich.
Ein Fall für „Ines“
Buttolo hatte im vorigen Oktober die Kontrollkommission des Landtags gebeten, zu prüfen, ob die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz trotz eines anderslautenden Gerichtsurteils noch rechtmäßig war. Der Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig hatte Buttolo deswegen gerügt und die Vernichtung der Akten gefordert. Der Minister widersprach nicht, sondern verließ sich auf das Votum der Abgeordneten, die ein halbes Jahr lang versuchten, sich einen rechtlichen und tatsächlichen Überblick zu verschaffen – und das ohne juristische Berater an ihrer Seite. Dort herrschte lange Zeit Uneinigkeit über die Frage, ob die fünf Fall-Komplexe überhaupt beobachtet werden durften oder nicht.
Erst jetzt, nach der Veröffentlichtung einiger vager Hinweise, ist Schwung in die Sache gekommen. Nun plädieren plötzlich alle dafür, dass die Justiz so rasch wie möglich eingeschaltet wird. An welche seiner Ermittler Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm die etwa 100 Ordner übergibt, steht noch nicht fest. Diese Entscheidung hängt auch vom Inhalt der Akten ab: Ein Staatsanwalt steht im Verdacht, Kontakte zu minderjährigen Prostituierten gehabt zu haben und deswegen erpressbar gewesen zu sein. Dessen Dienstbehörde wird sicher nicht zuständig sein. Denkbar ist, dass die Anti-Korruptionseinheit Ines bei der Dresdner Staatsanwaltschaft die Verfahren übernimmt.
Inzwischen melden sich immer mehr Stimmen, die einen Untersuchungsausschuss im Landtag fordern. Der beschäftigt sich aber nicht mit Mord und Totschlag, sondern klärt, wer für die ganze Affäre politisch verantwortlich ist.
Von Karin Schlottmann