Karl Nolle, MdL

Sächsiche Zeitung, 15.05.2007

SPD nach der Bremen-Wahl

"Zwickmühle zwischen Union und Linkspartei"
 
Der Parteienforscher Wichard Woyke glaubt, dass die SPD ein ernsthaftes Problem hat: Die Stimmen, die sie an die Linkspartei verloren hat, kann sie nicht wieder gewinnen, solange sie an der Regierung ist. Auch eine Öffnung nach links sei keine Lösung.

WELT ONLINE: Hat Sie das Ergebnis der Wahl in Bremen verblüfft?

Wichard Woyke: Mich hat vor allem das Ergebnis der Linken überrascht, denn die Entwicklung um ihre Aufstellung in Bremen war doch sehr seltsam. Zunächst wollte der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel antreten, dann der aus Bremen stammende Bundestagsabgeordnete Axel Troost von der WASG. Zu guter Letzt kam dann diese Mischung aus Robin Hood und Karl Marx - Peter Erlanson. Und dieser hat nun sehr überraschend über acht Prozent für die Bremer Linken geholt.

WELT ONLINE: Was bedeutet dieses Ergebnis für die Große Koalition in Berlin und insbesondere für die Volksparteien?

Woyke: Für die SPD ist der Erfolg der Linken besonders problematisch – links von ihnen ist eine neue Protestpartei entstanden, die auch in den alten Bundesländern Wählerstimmen der SPD auf sich vereint. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Große Koalition in Mitleidenschaft gezogen wird. Die verloren gegangenen Wählerstimmen in Bremen sind nur für die SPD selbst ein ernsthaftes Problem.

WELT ONLINE: Was ist der Grund für diese Abkehr von der SPD?

Woyke: In Bremen muss man die übergroße Dimension an Arbeitslosen sehen, die die SPD für ihre Situation allein verantwortlich machen. Da überrascht nicht, dass diese Wähler zu anderen Parteien gewechselt sind. Die SPD befindet sich in der Zwickmühle zwischen CDU und Linkspartei und wird gerade in Bremen besonders in der Verantwortung gesehen.

WELT ONLINE: Wäre eine Öffnung der SPD zu den Linken ratsam?

Woyke: Auf Bundesebene ist dies mittelfristig nicht möglich. Erst in der Zeit nach Lafontaine ergeben sich für die SPD Koalitionsmöglichkeiten mit Grünen und den Linken. Dem jetzigen Populismus der Linken lässt sich nur in der Opposition erfolgreich begegnen. In Bremen und überall dort, wo die SPD in der Regierung ist, sind diese Stimmen nun erst einmal verloren.

WELT ONLINE: Und welche Bedeutung hat das Ergebnis von Bremen für die nächsten Wahlen, beispielsweise die Landtagswahlen 2008 in Hessen?

Woyke: Die Linken haben erstmals den Sprung in ein westdeutsches Parlament geschafft. Das ist ein Zeichen, ohne Frage. Ob dies allerdings Auswirkungen auf die nächsten anstehenden Wahlen haben wird, wage ich zu bezweifeln. Diese Wahl sollte nicht überbewertet werden. Bremen ist das kleinste Bundesland, bei der Größe kann man schon von einer Kommunalwahl sprechen. Etwa 70 Prozent der Wähler in Bremen gaben an, dass reine Landesinteressen ausschlaggebend für ihre Stimme gewesen sind.

Professor Wichard Woyke ist Politologe an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster