Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 19.05.2007

Geheimdienst-Akten: Kann Sachsen der Justiz vertrauen?

 
DRESDEN - Erkenntnislücken in Sachsens Politik: Das Innenministerium weiß nicht, wer aus den brisanten Geheimdienst-Akten plauderte. Die Opposition wiederum bezweifelt, ob man der Justiz im Freistaat noch ohne weiteres trauen kann.

Sachsens Verfassungsschutz arbeitet derzeit mal wieder unter Hochdruck: Wichtige Quellen sind zu schwärzen, bevor Anfang nächster Woche die ersten der angeblich brisanten Akten an die Staatsanwaltschaftübergeben werden. Ob sie dort aber in den richtigen Händen sind, bezweifelte gestern öffentlich die PDS im Landtag. Denn auch sächsische Staatsanwälte und Richter sollen in die Affäre um Korruption, Amtsmissbrauch, Kinderprostitution und Immobilienschieberei verstrickt sein. PDS-Rechtsexperte Klaus Bartl fordert deshalb einen Untersuchungsführer, der umgehend gegen mutmaßlich in die Affäre verstrickte Staatsanwälte und Richter ermitteln soll.

Zudem forderte die PDS erneut die Generalbundesanwältin auf, die Ermittlungen zu leiten, da von Sachsens Justiz „kein wirklich politisch unabhängiges Agieren zu erwarten" sei. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) wies das zurück. „Uns sind keinerlei Verstrickungen bekannt", sagte Sprecher Martin Marx. „Wir haben volles Vertrauen in unsere Staatsanwaltschaft." Die Generalbundesanwältin müsse selbst entscheiden, ob sie eingreift. Marx dementierte zudem, dass ein jüngst beförderter ehemaliger Leipziger Oberstaatsanwalt wegen seiner Kontakte ins Rotlichtmilieu zumKrisengespräch im Ministerium gewesen sei.

Das aber behauptet der Publizist Jürgen Roth, der einige der Geheimdienst-Akten im Innenministerium eingesehen haben will. Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) hält das für „schlicht nicht wahr". Er wisse nicht einmal, wer Roth sei. Ob der Mann jemals im Ministerium war, werde derzeit geprüft. Die Akten aber würden ausschließlich im Landesamt für Verfassungsschutz aufbewahrt. Buttolo stellte deshalb jetzt Strafanzeige gegen unbekannt -wegen Geheimnisverrats.
Von Stefan Locke