Karl Nolle, MdL

LVZ - online, 25.05.2007

Korruptionsaffäre: Leipziger Rathausmitarbeiter sollen Sexpartys gefeiert haben

 
Leipzig. Immer neue Vorwürfe in der Affäre um Korruption und organisierte Kriminalität in Sachsen: Politiker aus dem Leipziger Rathaus sollen zwischen 1993 und 2005 regelmäßig an Sexpartys teilgenommen haben. Das berichtet der Journalist und Buchautor Jürgen Roth auf seiner Internetseite. Er beruft sich dabei auf die Geheimakten des Verfassungsschutzes, die er nach eigenen Angaben teilweise eingesehen hat.

"Höchste Verantwortliche der Stadtverwaltung Leipzig sind beteiligt gewesen", behauptet Roth. Und weiter: "Einer der Beteiligten sei inzwischen nach Berlin umgezogen." Wer damit genau gemeint ist bleibt offen.

Aus dem Rathaus waren vor zwei Jahren mehrere Mitarbeiter beim Wechsel vom damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee mit ins Bundesverkehrsministerium gefolgt. Neben dem früheren Beigeordneten Engelbert Lütke Daldrup folgten auch der damalige Chef der Leitungshilfe im Rathaus, Bernd Rittmeier, und Chefsekretärin Birgit Kurze an die Spree.

"Wir kommentieren solche abwegigen Gerüchte nicht. Es wäre gut, wenn die Akten, die offenbar bei einigen abstruse Hirngespinste hervorrufen, rasch an die Staatsanwaltschaft übergeben werden. Es wäre auch gut, wenn die Fakten auf den Tisch kommen", sagte Dirk Inger, Sprecher von Wolfgang Tiefensee, auf Anfrage. Es seien in den letzten Jahren wahrscheinlich ganz viele Leute aus der Leipziger Stadtverwaltung nach Berlin gegangen. "Mehr kann ich dazu nicht sagen, weil ich die gar nicht alle kenne", erklärte Inger.

Bei seinem Aktenstudium ist Roth nach eigenen Aussagen auf einen weiteren Fall aufmerksam geworden. In der Zeit zwischen November 2001 und Februar 2002 hat die Staatsanwaltschaft demnach gegen drei Männer ermittelt. Der Vorwurf: Sie sollen Kinder im Alter zwischen acht und zehn Jahren aus Tschechien nach Leipzig gebracht haben. Hier sollen sie in einer Wohnung von Freiern sexuell missbraucht worden sein. In dem Fall seien Telefonüberwachungen und Personenobservationen geplant gewesen. Die Ermittlungen seien aber gescheitert, weil "ein Staatsanwalt aufgrund seiner guten Kontakte zu Leipziger Rechtsanwälten und Personen des Rotlichtmilieus" die Verdächtigen über die geplanten Maßnahmen hat informieren lassen, berichtet der Enthüllungsjournalist mit Verweis auf die Geheimakten.

Der Leipziger Staatsanwaltschaft sind diese Ermittlungen nicht bekannt. "Wir haben in unseren Akten dazu bisher nichts gefunden", sagte Behördensprecher Ricardo Schulz gegenüber LVZ-Online.

Die ersten bislang streng geheimen Informationen des Verfassungsschutzes über das mutmaßliche Geflecht Organisierter Kriminalität in Sachsen sollen am Freitag an die Staatsanwaltschaft übergeben werden. Innenminister Albrecht Buttolo hatte angekündigt, zunächst einen so genannten Sachstandsbericht zu einem Fallkomplex an die sächsische Generalstaatsanwaltschaft und an Generalbundesanwältin Monika Harms zu übermitteln. Berichte zu zwei weiteren Komplexen, eine komplette Akte und ergänzendes Material, folgen dann in den kommenden Wochen. Für die Aufarbeitung der Daten sei extra ein Mitarbeiter aus dem Bundeskriminalamt ausgeliehen worden.

Ein vierter, nicht abgeschlossener Fallkomplex soll zunächst weiter vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die Erkenntnisdichte reiche dort noch nicht aus, sagte Buttolo. Unterlagen zu einem fünften Komplex werden im Staatsarchiv eingelagert. Ihn hätte der Verfassungsschutz nach einem Votum der Geheimdienstkontrolleure des Landtags nicht bearbeiten dürfen. Buttolo schloss sich der Einschätzung an. Die Daten dürfen deswegen nicht verwertet werden.
mro., LVZ-Online/dpa