Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 29.05.2007

Sachsen ist kein Sumpf

Gastbeitrag von Geert Mackenroth (CDU), Justizminister des Freistaates Sachsen.
 
Die Vorgänge um den sogenannten sächsischen Korruptionsskandal sind keine Staatskrise, aber eine ernsthafte rechtsstaatliche Bewährungsprobe.

Wo stehen wir? Die Staatsanwaltschaft hat einen ersten Bericht erhalten. Weitere werden folgen. Der Verfassungsschutz beobachtet, verfolgt aber keine Straftaten und erhebt keine Beweise. Dies ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die jetzt Ermittlungsansätze sucht, Hinweise auf mögliche Straftaten gerichtsfest macht, Zeugen (möglicherweise auch solche, die scheibchenweise Andeutungen und angebliches Wissen preisgeben und dadurch vielleicht Ermittlungen gefährden und mögliche Täter gewarnt haben) vernimmt, Urkunden und Akten sichtet, Verteidigern Akteneinsichten gewährt, all dies allein auf der Basis der Strafprozessordnung mit ihrer Unschuldsvermutung.

Diese Aufklärung von Sachverhalten dürfte schwierig werden, zumal da einige Taten bereits lange zurückliegen. Sie wird Zeit beanspruchen, Gründlichkeit geht auch hier vor Schnelligkeit. Aber die sächsischen Gerichte und Staatsanwaltschaften werden so schnell wie möglich arbeiten.

Die in der Öffentlichkeit derzeit diskutierten Vorwürfe reichen über das Strafrecht hinaus, lassen manche zweifeln am rechtsstaatlichen System insgesamt: Damit ist auch – auf allen Stufen – die allgemeine Dienstaufsicht unmittelbar gefordert, die den bisher ebenfalls nur vagen Hinweisen auf Netzwerke, auf Verflechtungen mit Organisierter Kriminalität, auf Korruption und Bereicherung, auf Manipulation von Verfahren nachzugehen hat. Zudem: Der gute Ruf Leipzigs, ja: Sachsens droht Schaden zu nehmen – alle sind wir gefordert, diesem fatalen Eindruck entgegenzuwirken. Sachsen ist kein Sumpf.

Wo wollen wir hin? Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse, schnell und seriös aufgeklärt zu werden. Wer sich strafbar gemacht hat, gehört bestraft, wer im Zwielicht arbeitet oder gar mit der Unterwelt paktiert, hat im Öffentlichen Dienst nichts zu suchen, wer unschuldig ist, hat einen Anspruch auf schnelle Rehabilitierung. Vertrauen in Verwaltung, Polizei und Justiz ist für die Akzeptanz des Rechtsstaates schlechthin unverzichtbar. Gegenüber diesem alles überragenden Ziel haben Einzelinteressen und Befindlichkeiten von Berufsgruppen zurückzustehen. Unterstützung von Experten außerhalb Sachsens bedeutet in dieser Situation kein Misstrauen, sondern dient der umfassenden Aufklärung und letztlich damit auch dem Schutz der Betroffenen und der Institutionen.

Wie geht es weiter? Ich habe in meinem Verantwortungsbereich sichergestellt, dass integre, handverlesene Mitarbeiter zusammen mit Experten aus anderen Bundesländern die Aufgaben in Angriff nehmen und zu seriösen, möglichst zu schnellen Ergebnissen kommen. Ein Team in meinem Hause wird dafür sorgen, dass in allen betroffenen Bereichen und auf allen Ebenen auch die Dienstaufsicht die notwendigen Überprüfungen angeht.

Auf konstruktive parlamentarische Begleitung und Kontrolle sind wir angewiesen. Ich appelliere an das Verantwortungsbewusstsein auch der Medien: Ungeduld schadet, Aktionismus oder gar kurzlebige Profilierungsversuche behindern den Prozess der Aufarbeitung. Für konkrete Gesetzesänderungen ist es noch zu früh, für mich steht nur fest: Der Schutz der Bevölkerung vor Organisierter Kriminalität hat oberste Priorität. Konsequenzen für Einzelpersonen – Anklagen, Strafurteile, aber auch die schon jetzt gelegentlich geforderten Suspendierungen – kann (und wird) es dauerhaft erst auf der Grundlage von gerichtsfesten Erkenntnissen und damit eher gegen Ende dieses rechtsstaatlichen Verfahrens geben. Denn die Zeiten sind vorbei, wo im Freistaat Sachsen ohne Entscheidung eines unabhängigen Gerichts, allein gegründet auf Vermutungen, Hinweise und Gerüchte, menschliche Existenzen vernichtet wurden. Und damit hat unser Rechtsstaat seine größte Bewährungsprobe bereits bestanden.

Geert Mackenroth (CDU) ist Justizminister des Freistaates Sachsen