Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 01.06.2007

Justiz prüft Sanktionen gegen weitere Mitarbeiter

Minister Mackenroth will die Korruptionsvorwürfe aufklären. Kritiker fordern härteres Durchgreifen und warnen vor Alibi-Aktionen.
 
Der Jurist Wolfgang Eißer aus Baden-Württemberg soll als unabhängiger Beobachter die Aufklärungsarbeit seiner sächsischen Justizkollegen in der vermuteten Korruptionsaffäre verfolgen. Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU), der den 57-jährigen Präsidenten des Landgerichts Waldshut-Tiengen gestern stolz der Öffentlichkeit vorstellte, musste bei der Präsentation jedoch gleich einen Dämpfer hinnehmen. Eißer sagte nämlich ohne Umschweife, er gehe nicht davon aus, dass sich die Vorwürfe von Korruption und Amtsmissbrauch, die der Verfassungsschutz zuvor in jahrelanger Arbeit zusammengetragen hat, bestätigen. Dem überraschten Publikum erklärte er seine Vermutung wie folgt: „Wenn Sachsens Juristen wirklich etwas zu verbergen hätten, wäre ich doch gar nicht hier.“

Geert Mackenroth, der den Import aus Baden-Württemberg noch Augenblicke zuvor als das künftige „wache Auge“ in der seit Wochen schwelenden Akten-Affäre gelobt hatte, atmete tief durch. Dann sicherte er der vierköpfigen offiziellen Ermittlungsgruppe um den Chef der Dresdner Staatsanwaltschaft, Henning Drecoll, pauschal jede gewünschte Unterstützung zu.

Laut Mackenroth ist mittlerweile auch sichergestellt, dass kein Justizmitarbeiter, der in den Geheimdienstakten als Betroffener auftaucht, in die Prüfungsarbeit eingebunden wird. Zudem kündigte der Minister an, dass es in Kürze zu weiteren Disziplinarmaßnahmen kommen kann. Darüber würden im Einzelfall die direkten Vorgesetzten der Betroffenen entscheiden.

Akten sollten 60 Jahre in Keller

Im Gegensatz zum Minister gab sich Chefermittler Drecoll wortkarg. Weder wollte er sagen, welche Unterstützung seine Mini-Truppe braucht, noch, ob es erste Erkenntnisse aus dem Studium der Geheimdienstakten gibt, die der Justiz seit voriger Woche zur Verfügung stehen. Selbst eine Prognose, wie lange man für das Durchsehen der insgesamt 15600 Seiten wohl brauchen werde, wollte Drecoll, der zum Jahresende planmäßig in Ruhestand geht, partout nicht geben.

Umso heftiger reagierte die Opposition. Der PDS-Abgeordnete Klaus Bartl wetterte, dass „Alibi-Aufklärer“ Drecoll die Rechtsstaatskrise auf diese Weise nicht bewältigen wird und dass das Heranziehen von Eißer nur die Öffentlichkeit täuschen solle. So habe der Jurist aus Baden-Württemberg weder Kompetenzen noch sei er einem Verantwortlichen unterstellt. „Das ist alles so erbärmlich.“ Auch die Grünen und die FDP halten Mackenroth vor, mit diesem Vorgehen die öffentliche Vertrauenskrise in Sachsens Justiz nur zu vergrößern.

Und auch das kam jetzt heraus: Sachsens Innenministerium hat nach SZ-Informationen noch kurz vor Bekanntwerden der Affäre in einem internen Schreiben darauf gedrängt, dass die brisanten Geheimdienstakten ungelesen ins Staatsarchiv wandern. Die Sperrfrist für die Freigabe der Papiere sollte in dem Fall sogar von den üblichen 30 auf 60Jahre erhöht werden. Ein Schelm, der Arges dabei denkt.
Von Gunnar Saft