Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 09.06.2007

Korruptionsaffäre kein Fall für Bundesanwältin

Monika Harms will vorerst in der sächsischen Korruptionsaffäre nicht tätig. Allerdings kennt sie bisher nur einen Fall.
 
In der Affäre um kriminelle Netzwerke in Sachsen, in die nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes auch Amtsträger und Beamte verwickelt sein sollen, wird Generalbundesanwältin Monika Harms vorerst nicht ermitteln. Die bisher übermittelten Unterlagen ließen „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“ für eine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts erkennen, heißt es in der Mitteilung der höchsten Strafverfolgungsbehörde am Freitag.

Am 30.Mai war Monika Harms ein erster Bericht mit zweimal 20Seiten vom Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz zur Prüfung vorgelegt worden. Wie es in Dresden hieß, sei die Ablehnung auf der Abteilungsebene getroffen worden. Weder aus dem Gerichtsverfassungsgesetz noch aus dem Grundgesetz lasse sich eine Kompetenz der Bundesanwaltschaft für die sächsische Angelegenheit herleiten. Was zur Prüfung vorlag, berühre nicht den Bereich des Staatsschutzes. Der Mitteilung zufolge können die Bundesanwälte bisher auch nicht erkennen, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder der Bestand der Bundesrepublik gefährdet sind.

Die Karlsruher Behörde dämpft damit Erwartungen an eine Aufdeckung mafiöser Verflechtungen, deren Existenz und Fortwirken Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) jüngst im Landtag öffentlich bestätigt hatte. Den Bundesanwälten erscheint „zweifelhaft“, ob „die übermittelten Erkenntnisse überhaupt einen Anfangsverdacht für die Existenz einer kriminellen Vereinigung belegen können“.

Justiz hat drei Dossiers

Karlsruhe kennt aber offenbar bisher nur einen Bruchteil der Informationen des Verfassungsschutzes. Denn in dem ersten Dossier geht es nach SZ-Informationen nur um einen einzigen Sachverhalt von besonderer Eilbedürftigkeit aus dem Leipziger Milieu. Er wurde innerhalb weniger Tage an die Justiz übermittelt, um die Verjährung einer mutmaßlichen Straftat zu verhindern. Es soll sich um eine Polizei-Razzia handeln, die ein namentlich bekannter Mitarbeiter einer Behörde verraten haben soll.

Bei der Dresdner Staatsanwaltschaft liegen derzeit drei Dossiers aus dem Verfassungsschutzbericht vor, sagte Behördensprecher Christian Avenarius auf Nachfrage. Alle würden dem Generalbundesanwalt übergeben. Karlsruhe bestätigte, dass am 5. Juni ein zweiter Bericht eingetroffen sei, der gesondert überprüft werde. Das zweite Dossier erfasst nach SZ-Informationen Leipziger und Dresdner Vorgänge. Ob die Staatsanwaltschaft Dresden aufgrund bisheriger Informationen aus dem Verfassungsschutz bereits Strafverfahren eingeleitet hat, war am Freitag nicht zu erfahren. Oberstaatsanwalt Avenarius wollte auch die Frage nicht kommentieren, ob das Bundeskriminalamt inzwischen um Amtshilfe bei der Klärung der Vorwürfe gebeten wurde.

Justizminister Geert Mackenroth erklärte, auch Sachsens Justiz werde dafür sorgen, dass „die Wahrheit über die Vorgänge zum sogenannten Korruptionsskandal ungetrübt ans Licht kommt“. Er warf der Linkspartei vor, sie diffamiere pauschal Tausende Polizisten und Juristen. Klaus Bartl (Linkspartei) reagierte scharf und erklärte, Sachsen habe einen Justizminister, „der entweder ahnungslos, naiv oder ein großer Blender ist“.

Am Freitag gab es Gerüchte über Rückstrittsforderungen aus der CDU an Innenminister Buttolo. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) stellte aber nach einem Gespräch mit Buttolo klar, ein Rücktritt komme nicht infrage.
Von Thomas Schade