Karl Nolle, MdL

Agenturen, dpa/sn, 15:34 Uhr, 10.06.2007

Staatsanwalt prüft Anzeige gegen de Maizière in Korruptionsaffäre

 
Staatsanwalt prüft Anzeige gegen de Maizière in Korruptionsaffäre =

Dresden (dpa/sn) - Die Staatsanwaltschaft Dresden prüft im Zug der sächsischen Affäre um organisierte Kriminalität und Korruption eine Strafanzeige gegen Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU). «Ich hoffe, dass wir möglichst bald Genaueres sagen können», sagte Oberstaatsanwalt Christian Avenarius am Sonntag der dpa. Er bestätigte einen Bericht der «Morgenpost am Sonntag», wonach gegen den früheren Innenminister Sachsens eine Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt gestellt wurde.

In Sachsen sorgen seit knapp vier Wochen fast täglich neue
schwere Vorwürfe gegen Richter, Staatsanwälte, Polizisten und hohe Politiker für Aufregung. Medienberichten zufolge enthalten bislang geheime Verfassungsschutzakten Hinweise auf brisante Verbindungen von Justiz, Polizei und Politik zur organisierten Kriminalität. Erste Unterlagen waren in den vergangenen zwei Wochen an die Staatsanwaltschaft Dresden und in Kopie an die Generalbundesanwaltschaft übermittelt worden.

De Maizière soll als Innenminister die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages (PKK) nicht über Erkenntnisse des Geheimdienstes informiert haben. Der PKK-Chef Gottfried Teubner (CDU) hatte de Maizière am Donnerstag vorgeworfen, in seiner Zeit als sächsischer Innenminister (2004-2005) Vorschriften «nicht für ganz voll genommen» zu haben. Sein Handeln im Umgang mit geheimen Verfassungsschutzakten sei «glatter Rechtsbruch» gewesen. Für die Bundestagsfraktion Die Linke ist de Maizière nach den Vorwürfen als Kanzleramtsminister nicht mehr tragbar.

Auch der Landtagsabgeordnete Karl Nolle (SPD) sprach am Sonntag von Rechtsbruch, da der Innenminister die PKK umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten habe. «De Maizière hat dies nach eigener Aussage nicht getan und beging somit vorsätzlichen Rechtsbruch. Möglicherweise trifft das auch auf Buttolo zu», sagte Nolle mit Blick auf Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU).

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) weiß einem Zeitungsbericht zufolge seit mindestens acht Monaten, dass der Verfassungsschutz Informationen über möglicherweise brisante Fälle organisierter Kriminalität in Sachsen gesammelt hat. «Ich bin vor einigen Monaten über das Problem informiert worden, dass Akten existieren, und dass der Datenschutzbeauftragte eine Verwertung für rechtswidrig hält», sagte Milbradt der Tageszeitung «Die Welt» (Montag).

Milbradt wollte nicht ausschließen, dass andere Mitglieder
der Landesregierung bereits früher über die Datensammlung zur Organisierten Kriminalität informiert waren. Auf die Frage, ob auch Kanzleramtsminister de Maizière als ehemaliger sächsischer Innenminister Kenntnisse hatte, sagte er: «Das mag sein.» Milbradt verlangte eine «schonungslose und vollständige Aufklärung ohne Ansehen der Person oder Funktion.» Er warnte aber vor pauschalen Vorverurteilungen: «Solange die Vorwürfe nicht bewiesen sind, gilt für alle die Unschuldsvermutung.»

Die Prüfung der Strafanzeige könne länger dauern, sagte Avenarius, da der Vorwurf «im Gesamtkontext gesehen werden muss». Die Staatsanwaltschaft sei verpflichtet, jeder Anzeige nachzugehen. «Wir müssen aber einen kühlen Kopf bewahren und dürfen uns nicht von politischen Nebenkriegsschauplätzen ablenken lassen», sagte er. Die Generalbundesanwältin Monika Harms beschäftigt sich vorerst nicht mit der Affäre in Sachsen. Es erscheine zweifelhaft, ob die übermittelten Erkenntnisse überhaupt einen Anfangsverdacht für die Existenz einer kriminellen Vereinigung belegen könnten, hieß es am Freitag.

Laut einem Bericht im «Spiegel» geht aus einem Aktenvermerk
hervor, dass die jetzt vorliegenden Fälle «zwischen April 2005 und Mitte Juli 2005 bekannt wurden». Der Verfassungsschutz habe intern versichert, die Erkenntnisse zeitnah auch de Maizières Ministerium mitgeteilt zu haben. Demnach hätte es weitaus früher zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kommen können, schreibt das Nachrichtenmagazin.

Auch der jetzige sächsische Innenminister Buttolo, unter de Maizière Staatssekretär, hätte offenbar viel früher einschreiten können, hieß es. Obwohl das für den Geheimdienst zuständige Referat 47 schon im Jahr 2005 in Buttolos Zuständigkeit fiel, will er erst im März 2006 von den Netzwerken erfahren haben, schreibt der «Spiegel». Damals seien die Fälle noch immer «nicht weitergabereif» gewesen. Ein Vermerk des Verfassungsschutzes vom Sommer 2006 aber zeige, dass im August 2006 fünf Vorgänge an die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Dresden gehen sollten, wozu es nie gekommen sei.

(Der Beitrag lag dpa in redaktioneller Fassung vor.)

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