Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 15.06.2007

Holen alte Fälle jetzt zwei Staatsanwälte ein?

Bei der Aufklärung der kriminellen Netzwerke könnten Ermittler in Interessenkonflikte geraten. Sie waren mit den Fällen schon befasst.
 
Dresden. Zwei Staatsanwälte im Ermittlerteam zur Aufklärung der sächsischen Korruptionsaffäre könnten bei ihrer Arbeit in Interessenkonflikte geraten. Sie waren schon vor Jahren mehr oder weniger mit Ermittlungen befasst, die in den Akten des Verfassungsschutzes eine Rolle spielen sollen und nun möglicherweise erneut von den beiden Staatsanwälten zu untersuchen sind. Dabei müssten diese Ermittler von ihnen selbst verfügte Maßnahmen auf den Prüfstand stellen.

So war der Leiter des Ermittlerteams, der Leitende Oberstaatsanwalt Henning Drecoll, Chef der Staatsanwaltschaft in Chemnitz, als 1999 eine Sonderkommission namens „Sumpf“ des Landeskriminalamtes gegen den Kripo-Chef von Plauen, Karlheinz Sporer, ermittelte. Er soll Dienstgeheimnisse verraten haben. Nach dem plötzlichen Tod des Kripo-Chefs wurden die Ermittlungen eingestellt. Neue Erkenntnisse zu dem angeblichen Plauener „Sumpf“ soll der Verfassungsschutz gesammelt haben. Bei der Prüfung, ob der Fall damals zu früh zu den Akten gelegt wurde, müsste Oberstaatsanwalt Drecoll nun eine Entscheidung in Frage stellen, von der er vor Jahren als Behördenchef zumindest Kenntnis hatte.

„Objektivität nicht in Gefahr“

Ferner führte die Staatsanwaltschaft Chemnitz Ermittlungen gegen das Kommissariat 26 der Leipziger Polizei. Mehreren Beamten wurde vorgeworfen, sie hätten vor Gericht falsch ausgesagt. Als es im September 2004 um die Vernehmung des Hauptbelastungszeugen ging, traf Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer eine Absprache mit dem Landeskriminalamt und sicherte der Behörde zu, dass sie den Zeugen vorrangig vernehmen durfte. Eine Todesermittlung musste deshalb warten. Auch die Ermittlungen gegen das K 26 könnten in der Korruptionsaffäre wieder Gegenstand einer Prüfung werden.

Beide Staatsanwälte ließen gestern auf Nachfrage erklären, dass sie lediglich in ihren Leitungsfunktionen mit den Fällen befasst gewesen wären. In keiner Weise hätten sie die Verfahren selbst bearbeitet. Es könnten lediglich Verfügungen mit abgezeichnet worden sein. „Ein Interessenkonflikt ist aus diesem Grunde bei den Kollegen nicht ansatzweise erkennbar“, sagte Oberstaatsanwalt Christian Avenarius. Ihre Objektivität sei deswegen in keiner Weise gefährdet.

Fragezeichen hinter dem Aufklärungswillen der Behörden in der Korruptionsaffäre scheinen aber auch mit Blick auf das Landesamt für Verfassungsschutz angebracht. Nach SZ-Informationen haben in den vergangenen Monaten dort nur drei bis vier Mitarbeiter die umstrittenen Akten über mögliche Verstrickungen von Politikern und Juristen in mafiöse Netzwerke bearbeitet. Seit einer Woche ist zudem ein wichtiger Mitarbeiter im Urlaub.

Das Team soll nach SZ-Informationen inzwischen „erheblich aufgestockt“ worden sein. Die von der Staatsanwaltschaft Dresden geforderte Übergabe aller Akten bis zum 1. Juli soll, so heißt es, nicht an unzureichendem Personal scheitern.
Von Thomas Schade und Annette Binninger