Karl Nolle, MdL

DER SPIEGEL 25/2007, 17.06.2007

Die rote Republik: Wie die neue Linke die SPD unter Druck setzt.

Deutschland hat eine konservative Kanzlerin, aber eine linke Parlamentsmehrheit.
 
Deutschland hat eine konservative Kanzlerin, aber eine linke Parlamentsmehrheit. Vor allem persönliche Animositäten verhinderten bisher, dass SPD, Linkspartei und Grüne ein Bündnis schmieden. Wie lange noch? SPD-Chef Beck wirbt für Abgrenzung - und steht damit auf verlorenem Posten.

Wer in diesen Tagen Oskar Lafontaine, 63, begegnet, hat einen Mann vor sich, der sich keinerlei Mühe gibt, seine Genugtuung zu verbergen. Er glüht regelrecht vor Freude über das Comeback, das niemand ihm zugetraut hatte, womöglich nicht mal er selbst.

Einmal Ruhestand und zurück - wer aus der politischen Kaste hat das schon zu bieten? Ein Populist hat sich durchgesetzt. "Der Oskar", wie er auch bei der neuen Partei Die Linke genannt wird, zieht diese Woche als einer von zwei Parteichefs ins Berliner Karl-Liebknecht-Haus ein.

Wer in diesen Tagen Kurt Beck, 58, begegnet, hat einen Mann vor sich, der dünnhäutig wirkt und bisweilen nur mit Mühe seine Übellaunigkeit verbergen kann. Ein Panzer aus Argwohn und Unsicherheit umgibt den SPD-Chef, seit Partei und Öffentlichkeit an seiner Eignung zum Kanzlerkandidaten zweifeln.
Außerhalb der ritualisierten Interviewsituation mag er sich zum Zustand der Partei und ihres Vorsitzenden nicht äußern. Unwirsch kann er werden, wie unlängst auf einer Afrikareise. "Lasst mich mit diesem Quatsch in Ruhe", wehrte er Fragen zur Innenpolitik ab.

Im engeren Führungszirkel der SPD wird mit einer Mischung aus Sorge und gespieltem Mitleid registriert, wie angeschlagen Beck ist. Kampflos und nur dank der schnell aufeinanderfolgenden Rücktritte von Gerhard Schröder, Franz Müntefering und Matthias Platzeck kam er ins Amt, wo er seitdem wie ein Parteichef auf Probe wirkt. "Der hat Schiss", sagt ein SPD-Minister: "Die Leute riechen den Angstschweiß sofort."

Beck hat vor allem strategisch wenig zu bieten. Mit ihm an der Spitze fehlt der SPD eine naheliegende Machtperspektive, weil er ihr im Bund jede Annährung an die Linkspartei untersagt. Kommt es nicht doch noch zu einer Ampelkoalition mit FDP und Grünen, bleibt die Partei auf unabsehbare Zeit Juniorpartner einer Großen Koalition - oder Opposition.

Deutschlands älteste Partei aber, gegründet in den wilden Jahren der Industrialisierung, will nicht als Mehrheitsbeschafferin für die Konservativen enden. Sie erwartet ein Angriffsspiel, das fintenreich in Richtung Kanzleramt geführt wird. Vielen Genossen leuchtet nicht ein, dass Roland Koch der politisch genehmere Partner ist als Gregor Gysi.

Es steht viel auf dem Spiel, mehr jedenfalls als die Reputation des Vorsitzenden. Eine Volkspartei ohne den Willen, die Spitzenpositionen im Staate zu bekleiden, ist nur noch eine Glaubensgemeinschaft.

Arbeiter und kleine Angestellte aber, die Kernklientel der Partei, wollen ihre Interessen durchgesetzt sehen, egal mit wem. Zwar ist es nicht so, dass die SPD-Wähler mehrheitlich in Richtung einer rot-roten Verbrüderung drängten. Aber die kategorische Ablehnung dieser Option stößt auf zunehmendes Unverständnis.

Bei der Bundestagswahl im September 2005 wählten die Deutschen eine linke Mehrheit in den Bundestag, die aber zur Regierungsbildung nicht zusammenfindet. Persönliche Animositäten und inhaltliche Differenzen erschweren den Dialog zwischen Sozialdemokraten, Grünen und Sozialisten, weshalb das mehrheitlich linke Parlament eine konservative Kanzlerin hervorbrachte. Teile und herrsche, der alte Grundsatz der Machtpolitiker, gilt auch in seiner passiven Form: Die Linke ist geteilt und wird daher beherrscht. Lediglich in den Ländern gab und gibt es Bündnisse und auch Lockerungsübungen, zum Beispiel in Hessen (siehe Kasten).

Becks sture Haltung ist persönlich verständlich, aber politisch nur schwer durchzuhalten. Überall in Europa ist die Sozialdemokratie dort stark, wo sie sich aller nur denkbaren Helfershelfer bedient.

Dass die Linke von einer einzigen Partei repräsentiert wird, ist eher die Ausnahme. In vielen Ländern konkurrieren mehrere linke Parteien miteinander, in Italien sitzen derzeit fünf sozialistische oder sozialdemokratische Gruppierungen im Parlament, in Frankreich waren es in der letzten Nationalversammlung vier.

So gesehen ist es eine besondere Leistung der SPD, das linke Milieu in der Bundesrepublik nach dem Krieg weitgehend vereint und dann auch lange zusammengehalten zu haben. Als wirkungsvoll erwies sich dabei die Lehre aus den Bruderkämpfen der Weimarer Republik: Dass sich Kommunisten und Sozialdemokraten bis aufs Blut bekämpften, galt als ein Kardinalfehler, der den Nationalsozialisten den Aufstieg an die Macht enorm erleichterte.

Es dauerte gut 30 Jahre, bis sich mit den Grünen erstmals eine nennenswerte linke Kraft neben der SPD etablieren konnte, und auch das war noch keine richtige Abspaltung, eher eine Art Jugendbewegung.

Sie saugte all die Protestströmungen auf, die die SPD als Regierungspartei nicht mehr integrieren konnte. Die Kommunisten hatten im westlichen Nachkriegsdeutschland nie eine wirkliche Chance, dafür sorgte schon das abschreckende Beispiel des SED-Sozialismus im anderen Teil Deutschlands. Den Rest besorgten Berufsverbote für DKP-Mitglieder.

Andererseits kann man auch nicht behaupten, dass die SPD in ihrer langen Geschichte nicht ausreichend Erfahrung mit Konkurrenz im eigenen Lager gesammelt hätte. Sie war immer die größte deutsche Arbeiterpartei, aber beileibe nicht immer die einzige. Schon wenige Monate nach den Wahlen zur deutschen Nationalversammlung im Januar 1919, bei der die SPD erstmals Volkspartei wurde, brach ihre Wählerschaft auseinander.

Das Gros der Landarbeiter und einfachen Handwerker ging zu den Deutschnationalen, das radikalisierte großstädtische Proletariat zog zur linkssozialistischen USPD, die sich 1917 aus Protest gegen die Zustimmung der SPD-Fraktion zu den Kriegskrediten abgespalten hatte. Bei den Wahlen im Juni 1920 holte die linke Konkurrenzpartei 18 Prozent der Stimmen, knapp 4 Prozent weniger als die SPD.

Es ist der deutschen Sonderentwicklung nach dem Krieg geschuldet, dass die Sozialdemokraten nie wirklich über eine Linksregierung verhandeln mussten. Auch deshalb erscheint ihnen nun als Zumutung, was in vielen europäischen Ländern seit langem die Regel ist.

Gleichwohl stehen auch in Deutschland die Zeichen auf Annäherung, wenn auch erst zaghaft. Die neue Linke jedenfalls hat das Ihre getan, um auf ihrem Vereini
gungsparteitag am Wochenende die Weichen in Richtung Westen zu stellen.
Hans Modrow, einst SED-Chef im Bezirk Dresden, letzter SED-Regierungschef der DDR, viele Jahre Ehrenvorsitzender der PDS und der Linkspartei, wurde ein letztes Mal gefeiert. Gedankt wurde ihm "für seine Verdienste bei der Gründung der PDS".

Der Dank an Modrow aber war zugleich ein Signal in Richtung SPD. Die neue Linke wird keinen Ehrenvorsitzenden mehr haben. Modrow wurde abgewickelt - denn nun endlich soll Schluss sein mit dieser lästigen Vergangenheit, nichts soll mehr an die Geschichte der SED, nichts an Stasi und Mauertote erinnern.

Der aus der WASG zugewanderte Lafontaine verfügt als Chef der Truppe über eine schlagkräftige Organisation: Mit ihren nun rund 72 000 Mitgliedern ist sie die viertgrößte Partei des Landes, mit einer gut organisierten Zentrale in Berlin, mit einer eigenen Zeitung, dem "Neuen Deutschland", mit der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, mit Tausenden von Mandatsträgern bundesweit, mit einem Fuß im Westen - und immerhin mit drei Senatoren in einer rot-roten Regierung in Berlin.

Doch so selbstbewusst die Funktionäre derzeit auch auftreten, so sehr sie die Einigkeit auch zelebrieren, hinter den Kulissen wird heftig gestritten um den neuen Kurs. Flügel und Lager hat die neue Linke mehr als prominente Köpfe: Von der Kommunistischen Plattform bis zum Frauenplenum hat noch jeder eine eigene Vorstellung davon, was Linkssein bedeutet.

Denn während der einstige SPD-Chef Lafontaine vor allem darauf bedacht ist, seine frühere Partei zu demütigen, fürchten die Pragmatiker um Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, dass in der eigenen Truppe die alten Feindbilder von den angeblichen "Arbeiterverrätern der SPD" sich neu beleben, dass die vereinte Partei nicht auf Realpolitik, sondern allein auf Populismus setzt. "Die Vereinigung ist eine historische Zäsur", sagt Bartsch, aber er warnt auch: "Die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an."

Bartsch und vielen Ost-Linken schwebt statt Fundamentalismus ein ganz anderer Kurs vor - sie träumen von der Regierungsfähigkeit nach dem Modell Norwegens. Eigens bereiste eine Delegation von Parteiarbeitern jüngst das skandinavische Land, in dem eine Linke in einem Bündnis mit den Sozialdemokraten und der bäuerlich-liberalen Zentrumspartei regiert, wissbegierig ließen sich die von den Fundis als "Bartschisten" verspotteten Pragmatiker den dortigen Koalitionsvertrag übersetzen.

Einige der Pragmatiker haben auch schon einen Sozialdemokraten ausgemacht, dem sie zutrauen, das "Modell Norwegen" nach Deutschland zu übersetzen - Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister. Der Sozialdemokrat hat in der Hauptstadt vorgemacht, wie man sich aus einer Großen Koalition lösen kann - allen Warnungen zum Trotz hat er ausgerechnet in der Mauerstadt einen Pakt mit den einst verhassten Kommunisten geschlossen.

Wenn einer wie Wowereit sich den Rempeleien gegen die neue Linke verweigert, wird er dafür von vielen in der Parteispitze geschnitten: Kurt Beck wollte ihn nicht zum Parteivize machen. Als Frontfrau des linken Flügels soll Andrea Nahles Becks Stellvertreterin werden.

Im Umfeld von Wowereit ist man inzwischen darüber gar nicht mehr so unglücklich. Dort glaubt man, dass ein Spitzenkandidat Beck 2009 die SPD allenfalls erneut in eine Große Koalition führen werde - und nicht in eine Ampel mit Grünen und FDP. Dann könnte die Stunde Wowereits schlagen - wenn die politische Laufbahn Lafontaines allmählich zu Ende geht. Der Weg für ein rot-rotes Experiment im Bund wäre frei.

Kurt Beck lehnt die Zusammenarbeit mit der Linkspartei zwar kategorisch ab, aber inhaltlich geht auch er ihr mit großen Schritten entgegen. Er hat verstanden, dass die politischen Koordinaten des Landes nach links gerückt sind.

Die Forderung nach einem Mindestlohn? Vor drei Jahren kaum vorstellbar, heute mehrheitsfähig unter den Deutschen. Regulierende Regeln für Hedgefonds? Selbst Angela Merkel machte sich in Heiligendamm das Ansinnen zu eigen. Der massive Ausbau der Kleinkinderbetreuung? Vor kurzem noch eine Idee von Rot-Grün, inzwischen Mehrheitsmeinung in der Großen Koalition.

Von der Basis fühlt sich der Parteivorsitzende zur Neuausrichtung ermuntert, wenn nicht sogar gedrängt. Tausende von Anregungen und Änderungsanträgen sind inzwischen zum SPD-Grundsatzprogramm eingegangen. Die Hinweise sind vielfältig, in ihrer Tendenz aber eindeutig.

"Wir erwarten Antworten, wie die SPD wieder soziale Gerechtigkeit durchsetzen will", forderte eine Genossin auf dem Programm-Konvent in Berlin. "Wer ist die neoliberale Elite, die euch immer die Hand führt?", zürnte ein Mitglied im rheinischen Düren. Und im südbadischen Lörrach fiel der Entwurf des neuen Parteiprogramms gleich komplett durch. Einer der Gründe: "Die ständigen Verbeugungen vor dem ungeregelten Markt."

Nicht zuletzt die alten Männer der Partei treiben Beck nach links. Bei einer Veranstaltung unter dem Titel "Dialog der Generationen" im Willy-Brandt-Haus plädierte ausgerechnet der Ex-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel für ein klares Bekenntnis zur abgeschafften Vermögensteuer und dafür, Verteilungsfragen nicht länger zu ignorieren.

Vogel empfahl den Genossen mehr Selbstbewusstsein. Denn "ein Programm muss schließlich auch Emotionen wecken", wie er sagte. Und deshalb gehöre auch der "demokratische Sozialismus" ins Programm - und zwar nicht schamhaft und diskret, sondern unverkrampft und konkret.

Die Rufe werden lauter, sich nicht länger Gesprächen mit der Linkspartei zu verweigern. "Zwei linke Parteien, die schweigend neben- und gegeneinander existieren, schwächen das linke Projekt", sagte der Partei-Linke Karl Lauterbach vergangene Woche im "Stern". "Dass wir uns ständig abgrenzen müssen, finde ich absurd." Der Arbeitnehmer-Vertreter Ottmar Schreiner erinnert an das verkrampfte Herantasten der Sozialdemokraten an die Grünen Anfang der achtziger Jahre, das erst spät einem weitgehend pragmatischen Miteinander wich.
Auch Sozialdemokraten, die Beck jederzeit loyal zur Seite stehen und nicht dem linken Lager zuzurechnen sind, entwickeln neue Perspektiven. "Wenn der Altmännergeruch von Leuten wie Oskar Lafontaine oder Uli Maurer erst mal weg ist - warum sollen die für uns nicht koalitionsfähig sein?", fragt der Europa-Fraktionschef Martin Schulz, der auch im SPD-Präsidium sitzt.

"Ich bin dagegen, die Wähler der PDS weiter auszugrenzen", hatte Egon Bahr, Erfinder der Formel "Wandel durch Annäherung", vor Jahren gesagt. Schon damals riet er, die Zusammenarbeit offensiv, ja geradezu fordernd anzugehen. Denn schließlich sei die Ost-SPD nach dem Krieg in der SED aufgegangen, zwangsweise. Bahr damals selbstbewusst: "Ich will unser Blut zurück."
STEFAN BERG, MARKUS DEGGERICH,JAN FLEISCHHAUER, HORAND KNAUP

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Hessen: Harte Abwehr

Nach ihrem Fusionsparteitag will sich die Linke nun erst mal in Hessen etablieren. Strittig ist, ob mit der SPD oder gegen sie.

In Frankfurt am Main ist die jetzt vereinigte Linke schon seit zwei Jahren nur noch durch den schmalen Spalt zwischen den Schreibtischen zweier Parteimitarbeiter voneinander getrennt: Mitte 2005 bezogen WASG und PDS ein gemeinsames Büro und traten mit einer gemeinsamen Liste zum Kommunalwahlkampf an.

Heraus kamen dabei 6,6 Prozent, sechs Sitze im Stadtparlament sowie der bis zu den Berliner Parteispitzen vorgedrungene Ruf, in Hessen seien die Linken "kommunal gut verankert". Mithin hätten sie gute Aussichten, in rund sieben Monaten den nächsten Coup zu landen: den Einzug ins Landesparlament eines westdeutschen Flächenlandes.

"Dafür tun wir alles", heißt es im Karl-Liebknecht-Haus, der Berliner Zentrale der seit dem Wochenende bundesweit fusionierten Linken. Nur der Hauptgegner der Kampagne steht noch nicht so ganz fest: Soll es der in Hessen mit absoluter Mehrheit regierende CDU-Platzhirsch Roland Koch sein - oder doch die SPD und deren auf linke Themen setzende Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti?

Die Frage wird seit Wochen heiß diskutiert bei den hessischen Linken. Und auch in der SPD geht es um den Umgang mit der roten Konkurrenz. Nach jüngsten Umfragen scheint eine Mehrheit links von CDU und FDP denkbar. Dann wäre die Versuchung für die SPD groß, es mit den Neulingen zu wagen - wie einst mit den Grünen, die es 1985 ebenfalls in Hessen erstmals in eine SPD-geführte Regierung schafften.

Nur wie verhält sich die Linke auf dem Weg dahin? Ein Strategiepapier der Landesvorstände von WASG und Linkspartei offenbart das Dilemma: Die Parole "Koch muss weg" werde zwar auf allen Parteiveranstaltungen stürmisch beklatscht - "doch Vorsicht", heißt es in dem Papier: "Diese Parole kann auch direkt von uns wegführen." Wer Koch wirklich abwählen will, könnte auf die Idee kommen, dass seine Stimme bei der etablierten Konkurrenz sicherer angelegt ist.

Denn bei der Bundestagswahl 2005 schaffte das Linksaußen-Bündnis in Hessen zwar mehr als fünf Prozent. In den Meinungsumfragen zum Landtagsvotum jedoch werden die Linken seit Monaten bei vier Prozent gehandelt - zu wenig für den Parlamentseinzug.

Der bisherige Linkspartei-Landesvorsitzende Ulrich Wilken hofft nun auf "Schwung" durch den Fusionsparteitag vom Wochenende. Und sein WASG-Pendant Dieter Hooge träumt gar von einem Wählerpotential "irgendwo bei 18 oder 20 Prozent".

Doch die beiden Landesfunktionäre repräsentieren auch den Kulturunterschied zwischen beiden Linksgliederungen, den die Fusion kaum aufheben wird. Hooge, 63, SPD-Mitglied bis 2004, wettert bei jeder Gelegenheit, dass die Sozialdemokraten unter Gerhard Schröder linke Politik "verraten" hätten.
Wilken, der 2000 in die PDS eintrat, sieht den Hauptgegner hingegen klassisch rechts: "Es geht in erster Linie gegen Koch", sagt er.

Ypsilanti kann es fast egal sein, wer sich durchsetzt: Vier Prozent für die linke Konkurrenz würden ihre Chancen minimieren; und käme die Linkspartei in den Landtag, sähe es kaum besser aus: "Mit mir wird es keine Koalition mit der Linkspartei geben", legt sich Ypsilanti persönlich fest.

Hinter dieser harten Abwehr steckt allerdings wohl auch die SPD-Strategie, die Linken vor der Wahl so kleinzuhalten, wie es geht. Nach der Wahl könnte es dann anders aussehen. Denn inhaltlich gibt es frappierende Übereinstimmungen: Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem, Studiengebühren abschaffen, mehr Geld für Frauen, Jugend, Senioren und Kinderbetreuung, Ausstieg aus der Atomkraft - bei Koalitionsverhandlungen könnten sich Linke und Sozialdemokraten wohl schnell auf ein Regierungsprogramm einigen, haben auch führende Sozialdemokraten bemerkt.

Nur die enttäuschten Überläufer wie Hooge machten es seiner Partei schwer, mit der Linkspartei zu verhandeln, sagt der SPD-Mann Klaus Oesterling, Fraktionschef im Frankfurter Stadtparlament. Er teilt sich mit der linken Konkurrenz die Oppositionsbänke. "Das ist im Grunde genau wie bei Lafontaine: Mit solchen Leuten kann man nicht reden." Bei den Linken aus der PDS-Schiene gebe es dagegen "durchaus vernünftige Leute".
MATTHIAS BARTSCH

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