Karl Nolle, MdL
Die Welt, 16.06.2007
Linke wählt Lafontaine und Bisky an die Spitze
Oskar Lafontaine und Lothar Bisky sind die Parteichefs der neuen Linken.
Ex-SPD-Chef Lafontaine erhielt beim Gründungsparteitag 87,9 der Stimmen. Auf den bisherigen PDS-Vorsitzenden Bisky entfielen 83,6 Prozent.
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es eine gesamtdeutsche sozialistische Partei. Die ostdeutsche Linkspartei und die westdeutsche Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) haben am Samstag in Berlin einmütig ihre historische Fusion vollzogen. Nach zweijährigen Vorbereitungen stimmten die rund 750 Delegierten des Gründungsparteitags bei nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen für die Verschmelzung. Sie wählten den bisherigen Linkspartei-Vorsitzenden Lothar Bisky und den früheren SPD-Chef Oskar Lafontaine von der WASG an die Doppelspitze.
Die anderen Parteien reagierten mit scharfer Kritik auf die Parteigründung. Die SPD griff vor allem Lafontaine scharf an. Unionspolitiker warfen der Linken vor, in der Tradition der DDR-Staatspartei SED zu stehen. FDP-Chef Guido Westerwelle nannte die neue Partei eine Bedrohung für die Bundesrepublik. Die FDP wird gemessen an ihrer Mitgliederzahl nun von der Linken vom Platz der drittstärksten Kraft in Deutschland verdrängt. Die Linke hat nach einer Umfrage ein Wählerpotenzial von 24 Prozent.
Bisky erhielt 83,6 Prozent der Stimmen. 580 Delegierte stimmten für ihn, 75 gegen ihn, 39 enthielten sich. Für Lafontaine votierten 87,9 Prozent. Er bekam 622 Ja-, 66 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen. Es wurden vier Stellvertreter gewählt: Katja Kipping, Katina Schubert, Klaus Ernst und Ulrike Zerhau. Bundesgeschäftsführer wurde der bisherige Amtsinhaber der Linkspartei, Dietmar Bartsch. An diesem Sonntag soll sich der Vorstand konstitutieren.
Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi rief unter dem Jubel der Delegierten, es sei die erste echte deutsch-deutsche Vereinigung nach dem Zusammenbruch der DDR. Bisher habe es nur Beitritte des Ostens zum Westen gegeben. Die Linke will Deutschland zu einem Staat des demokratischen Sozialismus machen. Ein solches politisches System entspreche dem Grundgesetz viel mehr als der Kapitalismus, sagte Gysi. Kipping betonte: „Natürlich gehen wir davon aus, dass der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist.“ Wegen dieser Äußerung sei sie ins Visier des Verfassungsschutzes geraten.
Bisky sieht Neuanfang in der Tradition von Willy Brandt
Lafontaine reklamierte mit der Ökologie ein klassisches Grünen-Thema für die Partei. „Die Systemfrage wird durch die Umweltfrage gestellt.“ Die Umweltpolitik der Grünen sei in weiten Teilen ein „Placebo“ - also ohne Wirkung. Bisky sieht den Neuanfang der Partei auch in der Tradition des SPD-Übervaters Willy Brandt mit dessen Forderung „Mehr Demokratie wagen“. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte dazu, die Linke sei nicht links. Willy Brandt würde sich „angewidert abwenden, hätte er miterleben müssen, wie antiaufklärerische Linkspopulisten versuchen, ihn zu vereinnahmen“.
Gysi erklärte, der richtige Weg sei: „Freiheit und Sozialismus“. Die SPD habe einen Sozialabbau betrieben und den Unternehmen Steuergeschenke gemacht, wie es sich der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) nie getraut habe. „Das hat mit sozialer Demokratie gar nichts zu tun.“ Das sei ein Bruch in der Tradition der SPD, von dem sie sich bis jetzt nicht erholt habe.
Lafontaine sagte, es sei perfide, wenn die SPD für sich eine Politik des vorsorgenden Sozialstaats in Anspruch nehme. Kürzungen bei der Rente und der Krankenversorung sowie die Hartz-IV-Reform kündeten vom Gegenteil. „Die Demokratie ist in der Krise“. Er forderte die Möglichkeit des Generalstreiks. Bisky sagte, die neue Linke sei eine „Partei der Kümmerer“ für alle Generationen. Der designierte SPD-Vize und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte in der „Bild am Sonntag“, das Programm der Linken sei der „sichere Weg in die Armut, besonders auch für die sozial Schwachen“. Eine Koalition zwischen der SPD und der Linken sei auf Bundesebene ausgeschlossen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte, Lafontaine habe eine „Gegenkraft aufgebaut, die für die SPD inzwischen höchst gefährlich geworden ist“.
Die neue Partei Die Linke hat auch eine neue Internet-Adresse. Nach der förmlichen Parteigründung in Berlin wurde die Website: www.die-linke.de geschaltet www.die-linke.de