Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 17:01 Uhr, 18.06.2007
Staatsanwälte im Visier - Linke will Auswechslung von Ermittlern in Korruptionsaffäre
CDU erinnert an Stasi-Vergangenheit Bartls
Dresden (ddp-lsc). In der sächsischen Korruptionsaffäre fordert die Linke einen Wechsel an der Spitze der ermittelnden Dresdner Staatsanwälte. Nach Ansicht ihres rechtspolitischen Sprechers im Landtag, Klaus Bartl, können sowohl der Leitende Oberstaatsanwalt Henning Drecoll als auch sein Stellvertreter Wolfgang Schwürzer im Zusammenhang mit ihren früheren Funktionen innerhalb der sächsischen Justiz nicht unbefangen vorgehen. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) und CDU-Fraktionschef Fritz Hähle wiesen die Kritik umgehend zurück. Mackenroth warf der Linken vor, einen «unerhörten Generalverdacht gegen sächsische Staatsanwälte und Richter» geäußert zu haben. «Wer wegen eventueller schwarzer Schafe nur noch schwarz sieht, riskiert Blindheit und treibt ein gefährliches Spiel», warnte er.
Bartl forderte indes die Einschaltung «erfahrener Korruptionsbekämpfer vom Kaliber des Frankfurter Staatsanwalts Wolfgang Schaupensteiner». Mackenroth müsse Staatsanwälte mit der Aufklärung der Affäre «beauftragen, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie wieder Verfahren auf den Tisch bekommen, mit denen sie bereits dienstlich in Berührung gekommen sind».
«Unglücklich» nannte Bartl deshalb die Wahl Drecolls zum Ermittlungsführer. Dieser sei als früherer Leitender Oberstaatsanwalt in Chemnitz mit Fällen organisierter Kriminalität befasst gewesen. Es gebe deshalb «keine Sicherheit», dass er unbefangen sei. Zudem äußerte Bartl Zweifel an der Unabhängigkeit des auf Wunsch von Mackenroth aus Baden-Württemberg nach Sachsen abgestellten Gerichtspräsidenten Wolfgang Eißer. Dessen Vize am Landgericht Waldshut-Tiengen sei einer der Aufbauhelfer der sächsischen Justiz gewesen, die versprochene Ferne Eißers zum Personal des Freistaats gebe es damit «natürlich nicht».
Mackenroth nannte Eißer indes «fachlich wie menschlich über jeden Zweifel erhaben». Zugleich verwies er darauf, dass in Sachsen nicht der Justizminister, sondern die Staatsanwaltschaft selbst über die Aufgabenverteilung entscheide. «Seine mögliche Befangenheit wird jeder Staatsanwalt selbst anzeigen», betonte er. Die sächsische Justiz sei kompetent und «braucht keine Nachhilfe von außen».
Hähle sprach von einem «Generalangriff» der Linksfraktion auf die Justiz. Auch die Unterstellung politischer Einflussnahme sei skandalös: «Die Kommunisten wollen Gerüchte streuen und das Ansehen des Freistaates Sachsen beschädigen.» Hähle erinnerte zugleich daran, dass Bartl SED-Abteilungsleiter, DDR-Staatsanwalt und Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen sei.
In der Affäre, die durch Berichte über eine umfangreiche Datensammlung des sächsischen Verfassungsschutzes ins Rollen gekommen war, geht es um angebliche Verbindungen sächsischer Politiker, Polizei- und Justizbeamter zum organisierten Verbrechen. Die Vorwürfe sollen von Amtsmissbrauch, Kinderprostitution über Bandenkriminalität bis hin zur Geldwäsche reichen.
Zur Aufklärung der Affäre wollen Linksfraktion, Grüne und FDP Anfang Juli einen Untersuchungsausschuss des Landtags einsetzen. Laut Bartl wollen die Rechtsexperten der drei Fraktionen dazu bis zum Ende dieser Woche einen Untersuchungsauftrag ausformulieren, der Grundlage für die Ausschusstätigkeit sein soll.
(Quellen: Bartl vor Journalisten in Dresden und in Mitteilung; Hähle und Mackenroth in Mitteilungen)
Von Tino Moritz
ddp/tmo/pon
181701 Jun 07