Karl Nolle, MdL

Jürgen Roth, Deutschland Clan, Wilhelm Heyne Verlag, 20.06.2007

Deutschland Clan

Auszüge aus: Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz
 
Jürgen Roth, geboren 1945, ist einer der bekanntesten investigativen Journalisten in Deutschland. Seit 1971 veröffentlicht er brisante TV-Dokumentationen und aufsehenerregende Bücher über die organisierte Kriminalität in Osteuropa und Deutschland sowie den internationalen Terrorismus, zuletzt Der Oligarch (2001), Die Gangster aus dem Osten (2003) und Ermitteln verboten (2004).

(Seite 142 ff)
„Auch in Dresden wurde seit 2003 im Zusammenhang mit der BFI-Bank ermittelt. Doch hier gab es massiven politischen Druck vonseiten der Landesregierung auf den ermittelnden Staatsanwalt. Er hatte, so ein mit dem Vorgang befasster Wirtschaftskriminalist mir gegenüber, »Verbindungen zu Landespolitikern aufgedröselt. Daraufhin wurde er ausgetauscht.«

Deshalb war auch das Landeskriminalamt Sachsen »nicht glücklich über die schleppenden Ermittlungen« wegen des Drucks »aus der politischen Ecke«, klagte mir gegenüber ein Wirtschaftskriminalist vom Landeskriminalamt Dresden.
Das demonstrieren auch andere Vorgänge. Da gibt es zum Beispiel einen sächsischen Generalstaatsanwalt, der seinen Staatsanwälten schon mal gesagt haben soll: »Schluss mit den Ermittlungen.« Und es gibt die Vorfälle im Zusammenhang mit dem ehemaligen sächsischen Wirtschaftsminister Kajo Schommer. Der soll auf nicht ganz korrekte Art und Weise Geld für die CDU kassiert haben. Und zwar fünf Millionen D-Mark für den sächsischen Landtagswahlkampf 1999. »Er hat mich zu dieser Spende aufgefordert«, behauptete Ulf Rittinghaus, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Sachsenring AG. Und Wolfgang Kießling, dessen Fahrer, kann sich an folgenden Ablauf des entsprechenden Gesprächs erinnern:

»Nach der Podiumsdiskussion nahm unser damaliger Wirtschaftsminister Dr. Kajo Schommer Herrn Rittinghaus beiseite. Ich stand in der Nähe hinter einer Blume oder Palme oder was das war – ich hatte Herrn Rittinghaus Unterlagen zu bringen –, und ich hörte, wie Dr. Kajo Schommer Herrn Rittinghaus ansprach, nach der verloren gegangenen Bundestagswahl. Das war ja gerade mal passiert, und der bevorstehenden Landtagswahl, inwieweit die Möglichkeit besteht, ihm und der Landesregierung eine Spende in Höhe von fünf Millionen für die kommende Landtagswahl zu gewährleisten.«

Ulf Rittinghaus dazu: »Kurze Zeit später kam er dann mit einem neuen Vorschlag, nämlich die 25 Millionen Mitgift für das Zentrum für Mikroelektronik Dresden (ZMD) um 4 Millionen zu erhöhen auf 29 Millionen, um dann letztlich mit der Differenz eine indirekte Wahlkampfaktion zu fahren.« Exminister Schommer bestritt den Vorwurf.

Der Stern enthüllte die Geschichte und wurde deshalb vom Exwirtschaftsminister verklagt. Die Illustrierte sollte nicht mehr behaupten dürfen, dass Exwirtschaftsminister Kajo Schommer als Gegenleistung für eine Spende für eine CDU-PR-Kampagne der Sachsenring AG staatliche Fördermittel in Höhe von vier Millionen Mark hat zukommen lassen. Schommer unterlag vor dem Kammergericht.

Karl Nolle, Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss, erklärte daraufhin in einer Presseerklärung der SPD-Fraktion:»Unser Untersuchungsausschuss birgt Dynamit für die CDU-geführte Regierung. Es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein ehemaliger Staatsminister von einem Gericht seine Unglaubwürdigkeit bescheinigt bekommt.«


(Seite 145 ff)
(...) Gegen keinen der Beteiligten, ob Präsident des Oberlandesgerichts Jena oder Justizminister, wurde ein Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt eingeleitet. Sowohl in Thüringen wie im benachbarten Sachsen ist ein solches unheilvolles Kungeln wesentlicher Bestandteil der politischen Kultur. Wie sagte doch der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle anlässlich einer Plenarsitzung im Sächsischen Landtag am 5. Februar 2004:

»Alle wesentlichen Ämter in Sachsen von ganz unten bis ganz oben sind mit dem gleichen Parteigesangbuch durchorganisiert und der Dienstweg der Rechtsaufsicht durch den internen Parteiweg ersetzt. An dieser Wirklichkeit einer Staatspartei in Sachsen nimmt die Demokratie, für die die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind, schleichenden Schaden.«

Nach den Landtagswahlen vom 19. September 2004 musste die CDU eine Koalition mit der SPD eingehen. An den von Karl Nolle kritisierten bleiernen sächsischen Verhältnissen hat sich seitdem trotzdem wenig geändert:

»Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, für mich ist eine Koalition keine Verabredung zum vorsätzlichen Rechts- und Verfassungsbruch und kein Schweigegelübde. Kommt es zu Rechtsverstößen durch Amtsträger, durch wen auch immer, oder besteht dazu auch nur der geringste Verdacht, halte, ich es für die uneingeschränkte Pflicht eines Abgeordneten, dagegen öffentlich zu protestieren. Zivilcourage und öffentlicher Druck sind die wichtigsten Korrektive in einer Demokratie.« Vehement kritisierte er den CDU-Justizminister Geert Mackenroth, zuletzt in einer Presseerklärung vom 14, Januar 2007: »Es ist sinnlos, den Rücktritt von einem Justizminister zu fordern, der vorsätzlich, wiederholt und im Zusammenwirken mit Parteifreunden, politischen Einfluss nimmt, durch Maulkörbe für Staatsanwälte und Einschüchterung von Ermittlungsbeamten.«

Die Auszüge sind aus:
Jürgen Roth
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Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz

Aktualisierte Taschenbucherstausgabe 06/2007
Copyright, Eichborn AG, Frankfurt am Main, Mai 2006
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