Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 23.06.2007

Buttolo tritt nicht zurück: „Das ist für mich völlig belanglos“

Sachsens Innenminister denkt nicht ans Aufgeben –doch auch die SPD macht jetzt Druck.
 
Müde und erschöpft wirkt er. Aber amtsmüde ist Albrecht Buttolo noch nicht – oder er darf es vielleicht noch nicht sein. Die massiven Rücktrittsforderungen des Vortages tut der durch die Korruptionsaffäre schwer angeschlagene Minister hastig ab. „Das ist für mich völlig belanglos. Ich sehe keinerlei Grund zurückzutreten“, erklärt er kurz – mit hochrotem Kopf.

Eilends hatte der Innenminister gestern Mittag kurzfristig zu einer Pressekonferenz in den Landtag eingeladen – diesmal ohne gutgelaunten Justizminister an seiner Seite. Buttolo sprach von einem „angeblichen Aktenskandal“. Entkräften konnte er die am Vortag bekannt gewordenen Peinlichkeiten beim Landesamt für Verfassungsschutz nicht – nur bestätigen (die SZ berichtete). Ein Mitarbeiter, der vor der Versetzung stand, habe nach kurzer mündlicher Rücksprache Ende April rund 40 Aktenordner mit Kopien von Gerichtsakten, die in der Korruptionsaffäre eine Rolle spielen könnten, geschreddert. Weder die Hausspitze noch das Innenministerium wussten bis Anfang Juni etwas davon. Der Inhalt sei zuvor in eigene Unterlagen des Verfassungsschutzes eingegangen, so sei kein Informationsverlust aufgetreten, versuchte der Vize-Präsident des Verfassungsschutzamtes, Olaf Vahrenholt, zu beschwichtigen. Doch ganz ausschließen, dass mit den geschredderten Kopien nicht auch unwiederbringlich handschriftliche Vermerke verloren gingen, konnte er nicht.

Gerichtsakten verloren

Prekär ist die Schredderei im behördlichen Alleingang aber vor allem deswegen, weil zuvor nicht geprüft worden war, ob die dazugehörigen Original-Gerichtsakten vor allem bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz und in Zwickau überhaupt noch existieren. In mindestens sieben Fällen seien dort keine Unterlagen mehr auffindbar, weil sie nach Ablauf gesetzlicher Fristen bereits vernichtet wurden. Das räumte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Christian Avenarius, gestern dazu ein. In Chemnitz seien mindestens sieben Vorgänge betroffen. Ob sich alle Akten mithilfe polizeilicher Unterlagen noch vollständig rekonstruieren ließen, sei fraglich. Dennoch zeigte sich Avenarius vorsichtig-optimistisch: „Unsere Aufklärungsarbeit wird dadurch nicht erschwert.“

Unheil droht vom Partner

Die CDU hält indessen dem über Parteigrenzen beliebten Buttolo weiter die Treue. Die Aufklärung sei durch den Vorgang nicht beeinträchtigt, sagte CDU-Fraktionschef Fritz Hähle. „Der Sturm im Wasserglas ist bereits wieder abgeklungen.“ Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) wollte sich zunächst gar nicht äußern. Erst am Abend ließ er ausrichten: „Selbstverständlich steht der Ministerpräsident hinter seinem Minister.“

Die Opposition erhöht indes den Druck. Die Linksfraktion forderte Milbradt auf, das Parlament zu einer Sondersitzung zusammenzurufen und verlangt eine Regierungserklärung. Auch FDP und Grüne reichten die neuen Erläuterungen des Innenministers nicht. Und die NPD will Buttolo anzeigen.

„Eine Koalition ist zum Arbeiten da, sie ist keine Verabredung zum Vertuschen“

Unheil droht der CDU vom Koalitionspartner SPD. Der hat wohl erkannt, dass sich das stumme Mitsegeln im stürmischen Affärenboot des Innenministers auf Dauer nicht so gut in der Öffentlichkeit macht; zumal die SPD offenbar kaum informiert wird über die gerade aktuelle Krisenstrategie. „Eine Koalition ist zum Arbeiten da, sie ist keine Verabredung zum Vertuschen“, kritisierte der designierte SPD-Generalsekretär Dirk Panter. Voraussichtlich am Dienstag werde Vize-Ministerpräsident Thomas Jurk (SPD) mit der Parteispitze über den weiteren Umgang mit der CDU reden. CDU-General Michael Kretschmer bezeichnete Panters Angriff als Frechheit. Er verlasse sich auf die Vereinbarungen mit der SPD.

Wechsel wird durchgespielt

Hinter den Kulissen aber bastelt auch die CDU schon am Ausstiegsszenario für Buttolo. Nur: Momentan hat Milbradt keine Alternative. Dennoch heißt es hinter vorgehaltener Hand, bei der nächsten Panne sei Buttolo verloren. „Mehr geht nicht.“ Mindestens bis zum CDU-Landesparteitag Mitte September, wenn Milbradt sich der Wiederwahl als Parteichef stellt, müsse Buttolo weitermachen. Und wenn sich die Öffentlichkeit wieder beruhigt hat, vielleicht sogar, bis die Kreis- und Verwaltungsreform Anfang 2008 auf dem Wege ist. Fällt er davor, kursiert bereits der Name einer „Ersatzspielerin“: Staatssekretärin und Ex-Landrätin Andrea Fischer.
Von Annette Binninger