Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 29.06.2007

Buttolo versucht, Zeit zu gewinnen

Der Innenminister will vorerst lieber schweigen – doch der Druck der Opposition wächst weiter.
 
Nach fast sechswöchigem Wirrwarr mit neuen Schreckensmeldungen, die sich täglich überstürzen, tritt Albrecht Buttolo (CDU) jetzt auf die Bremse. Vorerst werde es keine neuen Informationen mehr geben, hieß es gestern kurz und knapp aus dem Innenministerium. Erst warte man den vom Landesamt für Verfassungsschutz zugesagten Bericht über das wiederholte Phänomen des mysteriösen Akten-Schwundes ab. Die Marathon-Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), die den Verfassungsschutz überwachen soll, hat offensichtlich ihre Spuren hinterlassen.

Der Innenminister hatte dort in der Nacht zum Donnerstag zugegeben: Nicht nur 45 Akten in etwa 40 Ordnern mit Kopien von Gerichtsakten zur Organisierten Kriminalität im Freistaat waren Ende April von übereifrigen „Schlapphüten“ geschreddert worden. Die Verfassungsschützer hatten auch schon 2006 heftig umstrittene Papiere mit Hinweisen zur Organisierten Kriminalität im Niemandsland des Schredders verschwinden lassen.

Attacken der Opposition

Und so jagte gestern eine Krisensitzung der Union die andere – während die Opposition genüsslich den Finger in die neue Wunde der Regierung legte. Buttolo sei schlichtweg überfordert, schimpfte der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi. FDP-Rechtsexperte Jürgen Martens mahnte Buttolo, endlich beim Verfassungsschutz hart durchzugreifen. Unterdessen will die Linksfraktion, die ihre Rücktrittsforderungen gegen Buttolo und Justizminister Geert Mackenroth (CDU) bekräftigte, beide Minister in der nächsten Landtagssitzung förmlich missbilligen lassen. Mit bissiger Begründung: „Da sich der Ministerpräsident lieber mit der demografischen Entwicklung in China beschäftigt, statt vor Ort die am meisten drängenden Probleme Sachsens zu lösen, muss das Parlament ein Signal setzen, dass der Innen- und der Justizminister untragbar geworden sind“, sagte der designierte Linksfraktions-Chef Andre Hahn.

Die CDU stellte sich dagegen gestern erneut demonstrativ hinter ihren Innenminister. Albrecht Buttolo genieße das „volle Vertrauen“ der CDU-Fraktion, versicherte deren Vorsitzender Fritz Hähle. Rücktrittsforderungen bezeichnete er als „völlig unangebracht“. Behauptungen der Opposition, Akten seien unzulässig vernichtet worden, seien „zumindest voreilig“, so Hähle. Und auch Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), der noch bis Montag durch China reist, will offenbar zunächst an Buttolo festhalten.

Koalition wird gekittet

Wenigstens diesmal, hieß es dafür koalitionsintern zwischen CDU und SPD, habe es mit der internen Krisen-Kommunikation geklappt: Kurz nach Ende der Sondersitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), die den Verfassungsschutz kontrollieren soll, informierte Buttolo seinen SPD-Kabinettskollegen, Vize-Ministerpräsident Thomas Jurk. Der hatte tags zuvor bei weiteren Aufklärungspannen mit seinem Rücktritt gedroht. Das will er nun nicht tun – er sieht vielmehr damit die erste seiner Forderungen erfüllt.

Den Untersuchungsausschuss, der nächsten Mittwoch vom Landtag grünes Licht erhält, kann die neue Harmonie aber nicht verhindern. Der 14 Seiten lange parlamentarische Antrag für das Aufklärungsgremium liest sich wie der Titel eines Krimis: „Verantwortung der Staatsregierung für schwerwiegende Mängel bei der Aufdeckung und Verfolgung krimineller und korruptiver Netzwerke“. Es geht dabei auch um das Versagen rechtsstaatlicher Kontrollmechanismen.

Und auch das dürfte der Regierung nicht gefallen: Diesen Untersuchungsausschusses wird ein Abgeordneter der Linksfraktion leiten.
Von Annette Binninger