Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 30.06.2007
Munition für den Wahlkampf
Wie die sächsischen Parteien versuchen, mit der Korruptionsaffäre Stimmung zu machen
Dresden. Als vor sieben Wochen die ersten Berichte über kriminelle Netzwerke in Sachsen erschienen, war die Reaktion weitgehend moderat. Es gab kleinere Anfragen und vorsichtige Statements zum Thema, mehr aber nicht. Wenige Tage später eskalierte die Lage. Gerüchte über Verstrickungen von hohen Politikern sowie Justiz- und Polizeibeamten mit der Rotlicht- und Immobilienszene verdichteten sich, hinzu kamen Panikreaktionen der Politik. Die Affäre nahm ihren Lauf. Längst haben auch die Parteien im Freistaat deren Brisanz für sich entdeckt und versuchen, ihr taktisches Süppchen darauf zu kochen – Munition für den Wahlkampf 2009.
Probleme der SPD
Dabei hat sich die Stoßrichtung geändert. Während sich die Debatte in den ersten Wochen noch um Details aus den Geheimakten des Verfassungsschutzes drehte, hat die Korruptionsaffäre längst die Ebene der Politisierung erreicht. Nicht mehr die Frage, welche Kreise wann in welchem Bordell waren oder sich sonst wie erpressbar gemacht haben könnten, steht im Mittelpunkt, sondern warum Akten geschreddert wurden – und wer die Verantwortung dafür übernimmt.
Image-Nöte der CDU
Das ist das Problem der Union in Sachsen. Mit dem Innen- und Justizminister stellt sie gleich zwei Ressortchefs im Sicherheitsbereich, und beide geben derzeit ein – mehr oder weniger – schlechtes Bild ab. Vor allem aber kämpft die CDU um ihr Image. Als zentrales Politikfeld gilt die Innere Sicherheit, offenkundige Schwächen hier sind politisch höchst heikel. So kontert sie mit eigenen Vorstößen: Laut denkt zum Beispiel Fraktionschef Fritz Hähle über eine Änderung der Landesverfassung nach, um den Geheimdienst nach dem Stopp 2006 wieder auf die Organisierte Kriminalität (OK) ansetzen zu können.
Darüber hinaus garnieren CDU-Spitzen wie Generalsekretär Michael Kretschmer ihre Forderungen auch gern mal mit dem Hinweis, der Schwerpunkt krimineller Netzwerke liege in Leipzig.
Das zielt parteitaktisch auf den kleineren Koalitionspartner, die SPD. Schließlich gilt Leipzig als rote Hochburg in Sachsen, und zwei der bekanntesten SPD-Politiker im Osten – Wolfgang Tiefensee und Burkhard Jung – sind als ehemaliger und aktiver OBM mit der Messestadt verbunden. Eben dies ist der Hintersinn der Drohgebärde von Kretschmer: Die SPD sitze im Glashaus und sollte es sich überlegen, ob sie sich auf schwächelnde CDU-Minister einschießt. Dabei kann als gesichert gelten, dass nicht nur die Namen von hochrangigen SPD-Politikern in den geheimen Dossiers auftauchen, sondern auch die von Leipziger CDU-Regionalgrößen – wenn auch nur von solchen der dritten Reihe.
Diese Gemengelage hält die SPD nicht davon ab, die CDU weiter zu nerven. So drohte die SPD-Führungsspitze Anfang der Woche mit einem vorzeitigen Bruch der Koalition unter Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Die Absetzbewegung hat Kalkül: Die SPD will nicht in Mithaftung genommen werden für die massiven Vorwürfe gegen die Regierung. Die Kraftmeierei der mit nur 9,8 Prozent gewählten Partei ist zwar mittlerweile verpufft, doch die Stoßrichtung zielt klar auf Wähler und Genossen. So war von der SPD in der Affäre bis auf vereinzelte Kritik nicht viel zu vernehmen. Die Aufklärer gaben andere – die Linke, vor allem, aber auch Grüne und FDP.
Für die Opposition ist die Korruptionsaffäre ohnehin ein gefundenes Fressen. Sie wirft der Regierung Versagen bei der Bekämpfung krimineller Netzwerke vor und plant einen Untersuchungsausschuss. Das „Folterinstrument“ der Opposition wird nächsten Mittwoch im Landtag beschlossen.
Spielfeld der Opposition
Ein 14-seitiger Fragenkatalog liegt bereits vor, die Ergebnisse dürften bis 2009 reichlich Munition liefern. Zwar bahnt sich Streit um die beiden stasibelasteten Linksfraktionäre Klaus Bartl und Volker Külow als mögliche Mitglieder des Untersuchungsausschusses an. Dennoch hat die Linke die beste Ausgangslage, um die Affäre politisch zu nutzen.
Das liegt an ihrer Rolle. Während nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch ein FDP-Politiker (im Vogtland) sowie ein Ex-Grüner (in Leipzig) in dubiosen Netzwerken mitgemischt haben, ist die Linke fein raus – ohne eigenes Zutun allerdings. Dass sich nach derzeitigem Stand kein Ex-PDSler in den Akten findet, liegt schlicht daran, dass die Partei meist wenig zu verteilen hatte. Damit dürfte sie für kriminelle Strippenzieher weitgehend uninteressant geblieben sein – was die Affäre für sie zum Wahlkampfschlager bis 2009 macht.
Von SVEN HEITKAMP und JÜRGEN KOCHINKE