Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 12:30 Uhr, 01.07.2007

Sächsische Korruptionsaffäre - Zweifel an Version von geschredderten Akten - Offenbar Verstoß gegen Trennung von Geheimdienst und Polizei

 
Dresden (ddp-lsc). Im Zusammenhang mit der sächsischen Korruptionsaffäre werden weitere Vorwürfe gegen den Geheimdienst laut. So soll der sächsische Verfassungsschutz bei seinen Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen offenbar gegen das Gebot der Trennung zwischen Geheimdienst und Polizei verstoßen. Laut einem Vorabbericht des Nachrichtenmagazins «Focus» nutzten die Verfassungsschützer einen hochrangigen Leipziger Kriminalbeamten als geheimen Informanten für ihre Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität. Die Ermittlungen hätten bis ins Jahr 2006 angedauert.

Der ehemalige Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), Norbert Juretzko, äußerte derweil Zweifel an der Darstellung des sächsischen Verfassungsschutzes, wonach Akten durch den Geheimdienst vernichtet worden seien. Juretzko sagte der «Leipziger Volkszeitung»: «Es schmeißt doch keiner ganze Akten in den Schredder». Bei Nachrichtendiensten gelte das Vier-Augen-Prinzip. Mindestens zwei Personen seien anwesend, wenn etwas vernichtet werden. Also müssten mindestens zwei Beamte geschlafen haben. «Oder es war absoluter Vorsatz», mutmaßte Juretzko. Er betonte: «Es ist entweder Volksverdummung, wenn behauptet wird, dass Akten vernichtet wurden. Oder es ist Schlamperei, wenn tatsächlich etwas weggekommen ist».

Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) hatte eingeräumt, dass im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Ende April etwa 40 Ordner mit Kopien von Strafakten der Staatsanwaltschaft geschreddert wurden. Sie betrafen laut LfV insgesamt 45 Vorgänge. Weitere Kopien seien bereits 2006 vernichtet worden. Zudem verschwanden zahlreiche Originale.

Zugleich kritisierte Juretzko mangelnde Möglichkeiten für Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, sich über einen neutralen Beschwerdeweg zu melden, falls sie Missstände innerhalb des Geheimdienstes erkennen. Es gebe kein Beschwerdesystem, das die Mitarbeiter nutzen könnten «ohne Angst vor persönlichem Nachteil». In der Not gingen sie daher den Weg der Illegalität und wendeten sich an die Medien, da sie keine andere Möglichkeit sähen, die Dinge ordentlich zu klären. Dabei nähmen sie in Kauf, dass sie sich strafbar machen.

Die sächsische Korruptionsaffäre war vor einigen Wochen durch Medienberichte über den brisanten Inhalt einer geheimen und umfangreichen Datensammlung des Verfassungsschutzes ins Rollen gekommen. Die Geheimakten sollen Informationen über Verbindungen sächsischer Politiker und Justizbeamter zum organisierten Verbrechen sowie ins Rotlichtmilieu enthalten. Am kommenden Mittwoch will die Opposition im Dresdner Landtag einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorwürfe beschließen.

(Weitere Quellen: Juretzko in «Leipziger Volkszeitung» (Samstagausgabe))
ddp/ape/muc
011230 Jul 07

Von Alessandro Peduto