Karl Nolle, MdL
DIE WELT online, 18:24 Uhr, 30.06.2007
Wowereit drängt die SPD nach links
Erstmals hat sich ein führender SPD-Politiker für Bündnisse mit der Partei Die Linke auch im Westen ausgesprochen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit forderte, solche Koalitionen dürften für die SPD kein Tabu sein.
„Trotz einer konservativen Kanzlerin erleben wir einen Linksruck in Deutschland. Warum also sollte die SPD ihren Anspruch aufgeben, Mehrheiten links von der Mitte zu bilden?“, sagte Wowereit WELT ONLINE. Er könne sich auch vorstellen, dass SPD und Linke ab 2013 im Bund zueinanderfänden.
„Das Parteienspektrum in Deutschland sortiert sich neu. Meine Prognose ist: Bis 2013 könnte es auch im Bund Konstellationen geben, die heute nicht vorstellbar sind“, sagte Berlins Regierungschef. Der Aufbau der Linken werde sicherlich noch schwierig. Schon die Dominanz der elf westdeutschen Landesvorstände gegen fünf ostdeutsche sei eine Herausforderung für die gesamte Partei.
„Ich glaube aber, dass sich die Linke bundesweit hält“, sagte Wowereit. „Auch die Grünen waren in den ersten Jahren nicht koalitions- und regierungsfähig. Man muss die Entwicklung der Linken perspektivisch beobachten.“
Mit seinen Aussagen widerspricht Wowereit den Vorgaben des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Dieser hatte mehrfach betont, dass unter seiner Führung Koalitionen mit der Partei Oskar Lafontaines im Westen nicht infrage kämen. Beck nennt Die Linke „SED-PDS-Nachfolgegruppierung“. Sie habe sich bis heute nicht klar dazu geäußert, wie sie zum Begriff der Freiheit stehe. In dieser Partei seien Leute, die heute noch zu Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl stünden, kritisierte der SPD-Chef die Linke.
Unterstützt wird Beck in dieser Haltung vom eher rechten Seeheimer Kreis in der SPD und den Regierungsmitgliedern. „Ich bin gegen jede Zweideutigkeit in der Politik. Die Linke ist nicht koalitionsfähig mit der SPD auf Bundesebene“, sagte gestern Finanzminister Peer Steinbrück auf dem Landesparteitag der Berliner SPD.
Kritisch beäugt wird Becks Kurs hingegen von Parteilinken und Jusos. Sie fürchten, dass sich die SPD damit mittelfristig eine Koalitionsoption verbaut. Überraschend ist daher, dass sich die Sprecherin der SPD-Linken, Andrea Nahles, gegen eine Zusammenarbeit mit der Lafontaine-Partei ausgesprochen hat. „Eine linke Mehrheit ist zwar rein rechnerisch möglich. Faktisch geht sie absehbar nicht“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Außerdem sei Lafontaine „im tiefen Sinne antidemokratisch“.
Auf dem Landesparteitag der Berliner SPD wurden diese Äußerungen mit dem Hinweis zur Kenntnis genommen, Nahles versuche sich ein neues Profil zu geben, da sie im Herbst stellvertretende Parteivorsitzende werden wolle. Anders als Nahles sieht Wowereit im früheren SPD-Chef und heutigen Linke-Vorsitzenden Oskar Lafontaine „nicht allein“ das noch bestehende „Koalitionshindernis“. „Ob Die Linke auch in den westdeutschen Ländern koalitionsfähig wird, hängt einzig und allein von ihrer Politikfähigkeit ab. Und da gibt es von Land zu Land sicher Unterschiede“, sagte Wowereit.
Auch auf Unionsseite wurde die Debatte über mögliche neue Koalitionen angeheizt. Innenminister Wolfgang Schäuble sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, er könne sich auch Koalitionen zwischen CDU und Grünen vorstellen. Er wünsche Schwarz-Grün zwar nicht, halte das Bündnis aber für eine Möglichkeit.
von Günther Lachmann