Karl Nolle, MdL
Süddeutsche Zeitung, 03.07.2007
Buttolo geht in die Offensive
Verfassungsschutz und Polizei in Sachsen werden überprüft
Dresden - Nach den Pannen bei der Aufklärung der Korruptionsaffäre will Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) Verfassungsschutz und Polizei überprüfen lassen. Er setzte dazu am Montag zwei Prüfteams ein. In der Affäre um die Akten des Verfassungsschutzes gibt es derweil ein neues Opfer: Enthüllungsautor Jürgen Roth. Dem Korruptionsspezialisten, der den Skandal um mögliche Verwicklungen von sächsischen Amtspersonen in Strukturen der organisierten Kriminalität mit ins Rollen gebracht hatte, wurde Sonntagnacht aus bisher noch ungeklärten Gründen die Webseite abgeschaltet. Auch sein E-Mail-Postkasten ist seitdem nicht mehr erreichbar.
"Ich bin praktisch von der Welt abgeschlossen", sagt Roth, der vermutet, dass seine Webseite einem Hacker-Angriff zum Opfer gefallen sein könnte. Fragt sich nur, von wem? Der Autor gilt als eine der Schlüsselfiguren in der "Aktenaffäre", die im Freistaat seit Wochen Schlagzeilen macht. Beinahe täglich hatte er auf seiner Internetseite neue Informationen über die skandalösen Vorgänge veröffentlicht - Meldungen, in denen Roth stets neues Insiderwissen über die offiziell streng geheimen Unterlagen ausbreitete.
Der Schriftsteller hatte vor einer Woche im vogtländischen Plauen sein neues Buch "Anklage unerwünscht" vorgestellt, in dem über kriminelle Netzwerke in Plauen berichtet wird. Auch dabei war es nach seinen Angaben zu einem denkwürdigen Zwischenfall gekommen: Während eines Live-Interviews mit dem Deutschlandfunk, das Roth von seinem Hoteltelefon in Plauen aus führte, sei plötzlich die Leitung gekappt worden, berichtet der Schriftsteller. Als er seine Hotelwirtin auf den Vorgang angesprochen habe, habe diese ihm nur gesagt: "Seit Sie bei uns logieren, Herr Roth, brechen hier ständig die Leitungen zusammen."
Buttolo gerät inzwischen immer mehr in die Kritik. Jüngster Anlass ist eine Personalie. Dabei geht es um den bisherigen Polizeipräsidenten für Westsachsen, Bernd Merbitz, 51, ein früheres SED-Mitglied. Buttolo berief ihn jetzt zum neuen Landespolizeipräsidenten auf Probe. Die Ernennung wird kritisiert, da Merbitz zu DDR-Zeiten nicht nur eine Blitzkarriere als 34-jähriger Major der Volkspolizei gemacht hatte, überdies hatte er in einer Reportage der Süddeutschen Zeitung, die 1990 erschien, auch keinen Hehl daraus gemacht, dass er das Regime aktiv unterstützt hatte. Als Sohn eines SED-Kreisleiters habe er in der DDR einen Status mit Privilegien angestrebt, so Merbitz damals in der SZ - allerdings wolle er jetzt "den neuen Staat akzeptieren" und "ihm als Polizist dienen".
Am Mittwoch will der Landtag einen Untersuchungsausschuss in der Aktenaffäre einsetzen. Sein Auftrag wird es sein, mögliche Querverbindungen zwischen sächsischen Amtsstuben und kriminellen Gruppierungen aufzuklären sowie die Hintergründe verschiedener Skandale aus der Nachwendezeit zu beleuchten. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) machte das Gremium bereits im Vorhinein als "Klamauk-Ausschuss" nieder.
Christiane Kohl