Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 04.07.2007

Bringt Geheimdienst-Chaos die Akten-Affäre zu Fall?

 
DRESDEN - Verschweigen, Lügen, Denunzieren: Bei der Beobachtung der Organisierten Kriminalität (OK) geriet Sachsens Verfassungsschutz offenbar völlig außer Rand und Band. Der Affären-Komplex Leipzig droht sich in Luft aufzulösen.

»Wir mussten erhebliche Unregelmäßigkeiten und gravierende Verstöße bei der nachrichtendienstlichen Arbeit feststellen", sagt Neu-Verfassungsschutz-Chef Reinhard Boos. In einem vorläufigen Bericht an Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) listete er die bisher entdeckten Mängel bei der OK-Beobachtung auf. Die drehen sich vor allem um das Zentrum der Affäre, den Komplex „Abseits III" - Leipzig. Hier hätten Mitarbeiter durch Verschweigen, falsche Einschätzungen und sogar Lügen Akten frisiert, um ihren Infos mehr Gehalt zu verleihen.

Mehr noch: Laut Boos soll sich „ein erheblicher Teil" des Leipziger Falls auf eine einzige Quelle stützen: einen früher leitenden OK-Ermittler der Leipziger Polizei, der mit dem Geheimdienst widerrechtlich zusammenarbeitete. Dessen Informationen seien längst in Polizei-Akten vorhanden, aber offenbar manipuliert in den Verfassungsschutzakten aufgetaucht Boos: „Das ist, als würden sie einen Teebeutel zwei Mal nutzen." Noch werde der Fall geprüft, aber: „Sollten die Informationen tatsächlich nicht stimmen, bräche der Komplex ,Abseits zusammen", sagte Innenstaatssekretär Klaus Fleischmann.

Sowohl der Polizist als auch der mit ihm zusammenarbeitende Verfassungsschützer müssten mit Konsequenzen rechnen, seien aber noch nicht suspendiert Für den Polizisten gelte kein Quellenschutz mehr, sagte Boos. Die Staatsanwaltschaft sei informiert. Boos schloss zunächst aus, dass dadurch weitere OK-Komplexe manipuliert sind. Der Polizist sei nur für „Abseits III" als Quelle genutzt worden. Darüber hinaus sucht der Verfassungsschutz weiter fieberhaft nach undichten Stellen. „Noch immer werden geheime Informationen so gestreut, dass sie größtmöglichen Schaden anrichten", sagte Boos. Er vermutet dahinter eine geplante Aktion.
Von Stefan Locke