Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 15:32 Uhr, 04.07.2007

U-Ausschuss zu Korruptionsaffäre verzögert sich

Dresdner Staatsanwälte haben bislang kaum Anhaltspunkte für Straftaten
 
Dresden (ddp-lsc). Zur sächsischen Korruptionsaffäre wird es zunächst keinen Untersuchungsausschuss geben. Der Landtag überwies am Mittwoch mit den Stimmen des CDU/SPD-Regierungslagers einen entsprechenden Antrag von Linke, FDP und Grünen in den Rechtsausschuss und verhinderte damit die von der Opposition gewünschte sofortige Einsetzung des Gremiums. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) nannte den Ausschuss in der bisher geplanten Form «verfassungswidrig».

Die in der Affäre ermittelnde Staatsanwaltschaft Dresden hat indes nach eigenen Angaben bislang kaum Anhaltspunkte für Straftaten in den vom Verfassungsschutz an sie übermittelten Unterlagen. Medienberichte über eine umfangreiche Datensammlung des Nachrichtendienstes hatten die Affäre Mitte Mai ausgelöst. Die Geheimakten sollen Informationen über Verbindungen sächsischer Politiker, Polizisten und Justizbeamter zum organisierten Verbrechen enthalten.

Die Fraktionschefs Fritz Hähle (CDU) und Cornelius Weiss (SPD) begründeten die Vorbehalte der Koalition gegen die sofortige Einsetzung des U-Ausschusses mit rechtlichen Bedenken. Moniert wurden unter anderem «unzulässige Wertungen». Laut Hähle sei der formulierte Untersuchungsauftrag «durch die Bank verfassungswidrig». Verhindern kann die Koalition den U-Ausschuss indes nicht, was sie nach eigenen Angaben auch nicht beabsichtigt. Weiss zufolge ist ein Untersuchungsausschuss in dieser Situation durchaus angemessen.

Die Opposition warf der Regierung Verzögerungstaktik vor. Der Rechtsausschuss des Landtags wird am Donnerstag am Rande des Plenums tagen. Als wahrscheinlichste Variante gilt, dass dann ein Rechtsgutachten in Auftrag geben wird. Womöglich wird das Parlament in der Sommerpause zu einer Sondersitzung zusammentreten, um den Untersuchungsausschuss noch im Juli einzusetzen. FDP-Rechtsexperte Jürgen Martens nannte den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit «grob unredlich». Gemeinsam mit seinen Amts- und Anwaltskollegen Johannes Lichdi (Grüne) und Klaus Bartl (Linke) hatte er den Antrag ausgearbeitet.

In der mehr als dreistündigen Debatte nannte es Milbradt unzulässig, die Regierung mit dem Untersuchungsauftrag bereits vorzuverurteilen. Der Opposition warf er vor, «Halbwahrheiten, Lügen und Verdrehungen» zu einem «Gebräu» zusammenzumischen. Die Aufklärung sei bereits im Gange - «und zwar nach rechtsstaatlichen Methoden, und nicht nach Methoden der alten Stasi». Zugleich forderte Milbradt von den Medien eine «differenziertere Berichterstattung». Er hätte sich zumindest eine «deutliche Trennung von Vorwürfen und Tatsachen» gewünscht. «Haben wir eigentlich alle die Lehren von Sebnitz vergessen?», fügte er hinzu.

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Dresden sind ihr vom Verfassungsschutz bislang 19 Aktenbände mit zum Teil erheblichen Schwärzungen zur Verfügung gestellt worden. Nachdem dessen Präsident Reinhard Boos am Dienstag die Informationen einer bestimmten Quelle des Nachrichtendienstes als fragwürdig dargestellt hat, sei nun «eine vollständige Neubewertung» eines Teilkomplexes erforderlich, sagte Oberstaatsanwalt Christian Avenarius. Die Ermittler gingen davon aus, entsprechend überarbeitete Akten bis Ende nächster Woche vom Nachrichtendienst zu erhalten.

Laut Boos hatte ein Polizeibeamter dem Verfassungsschutz im vergangenen Jahr als so genannte Auskunftsperson Informationen über Vorgänge aus den 90er Jahren zukommen lassen, als er selbst in leitender Funktion mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität befasst war.

(Quellen: Avenarius in Mitteilung; alle anderen im Landtag)
Von Tino Moritz

ddp/tmo/muc
041535 Jul 07