Karl Nolle, MdL
Agenturen, dpa/sn, 16:08 Uhr, 06.07.2007
Affäre um sächsische Geheimdienstakten kratzt am Koalitionsklima
Dresden (dpa/sn) - Nach der letzten offiziellen Sitzung des Landtags haben Sachsens Abgeordnete noch längst keine Pause. Auch in den Parteizentralen von CDU/SPD-Koalition und Opposition wird vorerst keine Ruhe einziehen: Die Gemengelage angesichts der seit nunmehr fast acht Wochen laufenden Debatte um geheime Verfassungsschutz-Akten mutet bizarr an. Dabei geht es nicht nur um den Wahrheitsgehalt der Datensammlung, die Verbindungen von Politik, Justiz und Polizei zur Organisierten Kriminalität belegen soll. Auch das Koalitionsklima gilt nach zermürbenden Debatten um die Einsetzung des von der Opposition gewollten Untersuchungsausschusses als angeschlagen. Alle sind an Aufklärung interessiert, heißt es offiziell. Doch in den Details gehen die Meinungen auseinander.
Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und sein Vize Thomas Jurk (SPD) präsentierten sich am Freitag nach einem Krisengespräch der Koalition zwar betont einig. Hinter den Kulissen aber rumort es - zuletzt mit Sondersitzungen der SPD-Fraktion, Einzelgesprächen und Gerüchten, die Koalition stehe gar auf der Kippe. Dabei dreht es sich um den Auftrag des Affären-Untersuchungsausschusses, den CDU und SPD zuvor unisono als nicht mit der Verfassung vereinbar abgelehnt hatten. Doch als es an Einzelheiten ging, wurden unterschiedliche Sichtweisen deutlich: Während die CDU letztlich auf Zeit spielt und erst mal ein juristisches Gutachten einforderte, wollte die SPD das Papier von Linken, FDP und Grünen sofort heilen und so die Einsetzung des Ausschusses mit vorantreiben. Die SPD wurde schließlich eingefangen. «Auf Druck von Milbradt», hieß es.
Der hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er eigentlich gegen einen Untersuchungsausschuss ist. Damit ist die SPD im Dilemma der Koalitionsdisziplin gefangen. Sie will sich nicht in Mithaftung für die Affäre nehmen lassen und meint, dass an einem U-Ausschuss kein Weg vorbeiführt. «Wir sind kein Bündnis für Vertuschung», so die SPD, während Milbradt jüngst für eine Woche in China weilte. Für ihren Geschmack hat der Regierungschef viel zu lange zu den Vorgängen um den Verfassungsschutz und dem hilflos anmutenden Agieren seines CDU-Innenministers Albrecht Buttolo angesichts von Pannen im Geheimdienst geschwiegen.
Milbradt wiederum explodierte nach seiner Rückkehr im Landtag und verwahrte sich gegen Vertuschungsvorwürfe - wohl auch, um die eigene verunsicherte Fraktion voll hinter sich zu bringen. Nun wird er nicht müde zu betonen: «Es gibt keine sächsische Korruptionsaffäre!» Es gehe allenfalls um lokale Dinge ohne spezifischen sächsischen Bezug, die nun die Staatsanwaltschaft zu klären habe. Zumindest spricht er nun nicht mehr ausdrücklich von «Klamauk» mit Blick auf den Ausschuss. Ja, die Opposition habe ein Recht, ein solches Gremium einzusetzen. Der Antrag dazu müsse aber verfassungskonform sein und dürfe keine Vorverurteilungen beinhalten.
Nun haben zunächst Landtagsjuristen das Sagen, die ein Gutachten zum Ausschusspapier abgeben sollen. Linke, FDP und Grüne wollen ihren Text überarbeiten. Am 19. Juli könnte es einen neuen Anlauf geben, um in einer Sondersitzung des Landtags einen U-Ausschuss einzusetzen. Dann müssen CDU und SPD öffentlich nachvollziehbar Farbe bekennen. Scheitert der Antrag erneut, will die Opposition vor das Verfassungsgericht ziehen.
Petra Strutz
dpa st yysn a3 sb
061608 Jul 07