Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 07.07.2007

Verunsicherung im eigenen Lager

In der Krise wächst das Unbehagen in der CDU am Handeln von Milbradt
 
Dresden. Bei Lichte betrachtet hat Sachsen einen guten Ruf. Die Wirtschaftsdaten im Freistaat sind mehr als passabel, noch besser steht es um die öffentlichen Kassen. Kein Land außer Bayern hat weniger Schulden, Regierungschef Georg Milbradt (CDU) könnte stolz sein – auf sich, auf sein „Musterländle des Ostens“ und auf Kurt Biedenkopf. Schließlich waren er es und sein Amtsvorgänger in Dresden, die seit Anfang der 90er Jahre grundsolide Aufbauarbeit geleistet haben.

Jetzt aber bröckelt das Renommee. Trotz guter Daten droht das Land abzurutschen, vom Musterknaben zur Region mit erheblichen Image-Problemen. Grund für die Misere ist zum einen die Dresdner Waldschlösschenbrücke, die Sachsen in die Negativschlagzeilen gebracht hat. Weitaus schlimmer aber ist das, was seit acht Wochen als Korruptionsaffäre Sachsen beschäftigt – eine Melange aus Geheimpapieren, üblen Geschichten und geschredderten Akten.
Den Schaden hat nicht zuletzt Milbradt. Schütteln im einen Fall nicht mehr nur die bundesdeutschen Feuilletons mit dem Kopf über seine starre Haltung beim Thema Weltkulturerbe und Brückenbau, so ist es im anderen das mangelnde Krisenmanagement der Regierung. Der Umgang mit Gerüchten um kriminelle Netzwerke, um Verstrickungen von Juristen, Polizisten und Politik hat einen Flurschaden verursacht, der auch im Kanzleramt zu Sorgenfalten führt. Und das Schlimmste: Milbradt hat dem nahenden Desaster lange Zeit tatenlos zugeschaut. Anfang dieser Woche, unmittelbar nach seiner China-Reise, hat er erstmals gehandelt und versucht, die Regie zu übernehmen. Dafür hatte er einigen Grund. Längst war unübersehbar, dass das regierungsamtliche Chaos die Krise verschärft. Und als die Kritik nach einer bizarren Serie von Missgriffen bundesweite Fallhöhe erreicht hatte, gab es keine Alternative mehr.

Dabei hat sich Milbradt auch hier eingemischt wie in anderen Fällen zuvor. Nach langem Zögern bricht er sein Schweigen, reagiert brachial. Zeitgleich versucht er, die Affäre tiefer zu hängen und die politischen Scherben aufzulesen – nicht immer mit Erfolg. So düpierte er – Stichwort „Klamauk“ – die FDP genau dann, als sich die Liberalen im Streit um den Untersuchungsausschuss zur Affäre von der Linken abzusetzen begann. Dann versuchte er, die Leidensfähigkeit des kleinen Koalitionspartners SPD auf die Probe zu stellen, als er meinte, er könne den Kontrollausschuss mit Hilfe der SPD mindestens auf die lange Bank schieben, wenn sogar verhindern. Das Problem ist nur, dass ein Untersuchungsausschuss verbrieftes Oppositionsrecht ist. Verhindern lässt er sich nicht, und das Vertagen bringt auch keine Punkte. Was bleibt, ist der Eindruck, die Regierung wolle Aufklärung vermeiden.

Das hat mittlerweile nicht nur zu einer Dauerbelastung in der Koalition geführt, sondern – schlimmer noch – Milbradts eigenes Lager verunsichert. CDU-Abgeordnete im Dutzend fragen sich, ob hinter dem Handeln ihres Chefs Strategie, Frust oder Dickköpfigkeit steht. „Was Milbradt bezweckt, ist völlig unklar“, lautet ein Statement, das in CDU-Kreisen derzeit oft zu hören ist. Und immer wieder taucht jener böse Biedenkopf-Spruch über Milbradt auf vom „guten Fachmann“, der ein „miserabler Politiker“ sei.

Das Motiv der Abgeordneten ist die Sorge mit Blick auf 2009. Dann soll wieder gewählt werden in Sachsen, viele befürchten, dass es für die Union nach 2004 weiter bergab gehen könnte. Hinzu kommt das Wanken der Koalition und die Grundhaltung des Ministerpräsidenten, die CDU könne zur Not auch ohne die SPD. Nicht wenige Christdemokraten sehen hier das vorzeitige Ende der Koalition nahen und bangen um ihr Mandat.
Von JÜRGEN KOCHINKE