Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 12.07.2007

Schwarz-Rot auf Kollisionskurs

Streit um Untersuchungsausschuss zur OK-Affäre wird zur Grundsatzfrage
 
Dresden. Der Untersuchungsausschuss zur Korruptionsaffäre in Sachsen wird immer mehr zur Belastung für die CDU/SPD-Koalition. Die Schnittmengen im schwarz-roten Bündnis werden geringer, ein Bruch wird bereits auf beiden Seiten nicht mehr ausgeschlossen. Auch ein juristisches Gutachten, das den Antrag für verfassungswidrig erklärt, brachte gestern keine Einigung – im Gegenteil.

Stein des Anstoßes ist die Aufklärung der Vorwürfe zur Organisierten Kriminalität (OK). Während die SPD auf dem Minderheitenrecht der Opposition zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses besteht, geht die CDU einen härteren Weg. Vor allem Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hält den Untersuchungsauftrag für komplett verfassungswidrig und bezeichnet das Projekt von Linken, FDP und Grünen als „Klamauk“. Sein Ziel ist es offenbar, das unliebsame Gremium zumindest auf die lange Bank zu schieben.

Wasser auf seine Mühlen war gestern das juristische Gutachten des Landtags. Auf 18 Seiten kommen die Parlamentsjuristen zu dem Urteil, dass der Antrag in seiner jetzigen Form „nicht zulässig“ sei. Damit kann sich Milbradt nicht nur bestätigt fühlen, er dürfte auch den Druck auf die SPD erhöhen. Denn diese hatte zuvor gar mit der Opposition an Formulierungen gefeilt – was die Lage im Bündnis Ende vergangener Woche eskalieren ließ.

Dabei scheint die SPD an ihrer Forderung festzuhalten. „Wir stehen dem Ausschuss nicht im Wege“, sagte der designierte Generalsekretär Dirk Panter. Und auch der Parlamentarische Geschäftsführer Martin Dulig geht davon aus, „dass der Ausschuss in der nächsten Woche beschlossen wird“. Daran habe auch das Rechtsgutachten nichts geändert. Offen ist aber, ob SPD-Chef Thomas Jurk am Ende nicht doch wieder zum Rückzug bläst.

Rückendeckung für ein offensiveres Vorgehen könnte von der Basis kommen, wenn sich der SPD-Parteitag am Sonnabend klar zu einem Ausschuss bekennt. Manche Sozialdemokraten hegen ohnehin den Verdacht, dass der Verfassungsschutz von CDU-Kreisen als Kampfinstrument gegen die Spitzen der SPD-Hochburg Leipzig eingesetzt werden sollte. Entsprechend gering ist die Neigung, weiter am gemeinsamen Kabinettstisch sitzen zu bleiben. „Mit denen bin ich fertig“, sagt ein Genosse.

Damit haben sich beide Koalitionsparteien vorerst festgelegt – und sind auf Kollisionskurs wie selten zuvor. Zum Schwur soll es nächsten Donnerstag kommen, wenn in einer Landtags-Sondersitzung die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beschlossen werden soll. Entscheidender Punkt ist, ob die Opposition sich bis dahin dazu durchringt, den Antrag entsprechend zu verändern – und die Frage, ob diese Modifizierungen Milbradt reichen, um nicht doch gegen den Antrag zu stimmen.

Vertreter von Linken, FDP und Grünen erklärten gestern, sie seien weiter für Änderungen von Formulierungen offen. „Wir lassen uns aber nicht in den Untersuchungsauftrag inhaltlich und vom Umfang her hineinreden“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Torsten Herbst. Ähnlich äußerten sich die rechtspolitischen Sprecher der Linken und Grünen, Klaus Bartl und Johannes Lichdi.

Somit könnte es im Plenum in der kommenden Woche gleich doppelt spannend werden: Wenn die CDU gegen den Oppositionsantrag stimmt und die SPD sich enthält, käme dies einem Bruch der Koalitionsvereinbarung gleich. Darüber hinaus könnte es zu einem bizarren Kopf-an-Kopf-Rennen kommen. Bei einer Enthaltung der SPD läge die Mehrheit im Plenum bei exakt 56 Stimmen. Die CDU allein aber hat nur 55 Abgeordnete. Sollten sich alle Oppositionsabgeordneten einig sein – von Linken, FDP und Grünen bis zur rechtsextremen NPD und den vier fraktionslosen Ex-NPDlern –, hätte Milbradt das Nachsehen.

Punkt 15.2 des Koalitionsvertrages regelt zum
Verfahren im Landtag:

„Die Koalitionspartner sind sich einig, dass
im Sächsischen Landtag und seinen Gremien
keiner der beiden Koalitionspartner überstimmt
wird. Die Koalitionspartner verpflichten sich,
im Sächsischen Landtag, in seinen Ausschüssen
und weiteren Gremien nicht mit wechselnden
Mehrheiten aufzutreten und abzustimmen.
Die freie Gewissensentscheidung des einzelnen
Abgeordneten bleibt hiervon unberührt.“


Damit wäre die Koalition faktisch gescheitert. Milbradt könnte den beiden SPD-Ministern die Entlassungsurkunde überreichen und mit einer CDU-Minderheitenregierung weitermachen – eine Variante, die er längst nicht mehr ausschließt. Die großen Regierungsvorhaben wie Kreisreform, Hochschulgesetz und selbst der nächste Landeshaushalt aber kämen dann nicht mehr zu Stande.
Von Sven Heitkamp und Jürgen Kochinke