Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 17.07.2007

Sachsen lässt extern ermitteln

Korruptionsaffäre: Drei Prüfteams kontrollieren Polizei und Verfassungsschutz
 
Leipzig. Sachsens Verfassungsschützer sind nicht mehr in jedem Falle Herr im eigenen Hause. Auf ihre eigene Aktensammlung zur organisierten Kriminalität (OK) haben sie keinen Zugriff mehr. Und Sachsens Polizei hat eine externe Prüfgruppe im Haus, die Fallkomplexe zur Korruption im Freistaat kontrolliert. Seit gestern arbeiten drei Prüfteams den Umgang mit den auf über 15 000 Seiten festgehaltenen Erkenntnissen des Verfassungsschutzes zu einem möglichen Geflecht zwischen Politikern, Justizbeamten, Polizisten und Kriminellen auf.

Und sie empfehlen Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) weitere Schritte. „Mit diesen Teams ist größtmögliche Transparenz und eine objektive Aufklärung aller Sachverhalte zur so genannten Korruptionsaffäre gegeben“, erklärt Buttolo. Wäre das ohne externe Hilfe nicht möglich? Der Vorwurf an die eigenen Ermittlungsbehörden klingt zumindest mit.

Hieß es zu Beginn der Affäre noch, Sachsens Behörden seien integer und selbstbewusst genug, den Wahrheitsgehalt der erhobenen Vorwürfe selbst herauszufinden, lässt man jetzt ermitteln. Grund sind die „Auffälligkeiten“ der letzten Wochen, wie es Ministeriumssprecher Andreas Schumann nennt. Akten sind im Internet aufgetaucht, davor verschwanden plötzlich Teile der Datensammlung, mindestens ein Polizist wurde als Geheimdienstquelle geführt. Nun bewerten zwei Prüfteams die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und bereiten sie für die Staatsanwaltschaft auf. Zudem bewertet eine Projektgruppe die Polizeiarbeit zur Organisierten Kriminalität. Ingmar Weitemeier, Chef des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern, leitet dieses Team. 16 Mitarbeiter der LKAs Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsen-Anhalts kontrollieren mit Dienstsitz Berlin, ob Sachsens Dienststellen ihre Zuständigkeit richtig angewandt haben, die Ermittlungen sachgerecht und rechtmäßig organisierten.

Zu Details wollte sich Weitemeier gegenüber dieser Zeitung nicht äußern. „Wir kontrollieren alle die Fälle von Korruption, die zuletzt in der öffentlichen Diskussion standen“, erklärt er immerhin. Ministeriumssprecher Schumann bestätigt: „Das sind keine Pillepalle-Fälle.“ Dazu dürften also auch die so genannte Paunsdorf-Affäre, die LKA-Ermittlungen gegen das für OK zuständige Leipziger Kommissariat 26 sowie Immobiliengeschäfte und Prostitutionsfälle zählen. „Unsere Arbeitsgruppe garantiert Neutralität und Unabhängigkeit der Ermittlungen. Das wird dazu beitragen, dass die Ergebnisse allseits akzeptiert werden“, so Weitemeier. Er legt Wert darauf, dass die Überprüfung zur Entlastung der sächsischen Kollegen führen kann. Wenn man aber auf nichtverfolgte Verdachtsmomente oder Unregelmäßigkeiten stoße, werde die Strafverfolgung angestrengt. Weitemeier: „Dazu sind wir verpflichtet.“ Abschluss der Arbeit sei ein Bericht an den Minister. Weitere Schritte blieben diesem vorbehalten.

Während die polizeiliche Projektgruppe alte Fälle noch einmal durcharbeitet, übernehmen die Prüfteams beim Landesamt für Verfassungsschutz die Arbeit der OK-Abteilung. Ein Quartett aus Verfassungsschützern Schleswig-Holsteins, Hessens und Nordrhein-Westfalens wird vom einstigen Bundesrichter Dietrich Beyer geleitet und soll die stark kritisierten Abläufe im sächsischen Verfassungsschutz rekapitulieren und bewerten. Ein drittes Team mit 14 Verfassungsschützern aus dem gesamten Bundesgebiet arbeitet die Akten für die Staatsanwaltschaft auf und leitet sie an diese weiter. Die Mitwirkung sächsischer Geheimdienstler ist ausdrücklich ausgeschlossen.

Sachsen lässt jetzt extern ermitteln, „weil der Staatsregierung Vertuschung vorgeworfen wurde“, erklärt Ministeriumssprecher Schumann. Von Misstrauen in die eigenen Behörden könne dennoch keine Rede sein. Wenn aber Experten aller Bundesländern einen Teil der Aufklärung leisten, außer die Sachsen selbst, bleibt nur eine Erkenntnis: Buttolo traut den eigenen Leuten nicht.
von Andreas Friedrich