Karl Nolle, MdL

Berliner Zeitung, 26.07.2007

Berichten und genehmigen

Sachsens Staatsregierung hat sich schon vor Jahren Einfluss auf politisch heikle Ermittlungen gesichert
 
Immer dienstags trifft sich im Dresdner Hotel Taschenbergpalais der Rotary-Club "Goldener Reiter". Seine prominentesten Mitglieder haben in diesen Wochen aber noch weniger Zeit und Muße als sonst zu vertraulichen Gesprächen: Ministerpräsident Georg Milbradt und Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm. Ihnen setzt die Aktenaffäre um die angebliche Existenz von kriminellen Netzwerken in Sachsen mächtig zu. Auch wenn für Milbradt nur eine "dünne Beweislage" erkennbar ist für den Verdacht, der Freistaat werde von einem Kungelgeflecht aus Politik und Justiz regiert, welches an Recht und Gesetz vorbei eigene Interessen durchsetzt.

Dabei ist der Verdacht sehr konkret. Da vertritt zum Beispiel 1999 ein Anwalt die Croupiers der landeseigenen Spielbank, die der Staatsregierung einen Sozialplan abhandeln wollen. Vom damaligen Finanzminister Milbradt ist der Satz überliefert, man solle ihm den Anwalt vom Hals halten. Wenig später wird mit hanebüchenen Vorwürfen ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen den Anwalt konstruiert und seine Kanzlei durchsucht. Später müssen die Behörden das Verfahren mangels Beweisen einstellen.

Ein anderer Rechtsanwalt vertritt Grundstückseigentümer, die wegen der Erweiterung des Leipziger Flughafens um eine Entschädigung streiten. Aus heiterem Himmel wird er mit einem Steuerstrafverfahren überzogen, ein Einsatzkommando stürmt seine Leipziger Kanzlei und beschlagnahmt Akten, darunter auch die des Entschädigungsverfahrens. Monate später lösen sich die Steuervorwürfe in Luft auf.

In Chemnitz geht die Staatsanwaltschaft Hinweisen auf massive Grundbuchfälschungen nach, durch die unter anderem Banken bevorteilt werden. Die Ermittlungen, die auch die Stadtverwaltung im Visier haben, werden immer wieder von vorgesetzten Behörden gebremst. Am Ende wird nur eine Sekretärin verurteilt.

Die drei Fälle, die nicht in den Verfassungsschutzakten auftauchen, stehen exemplarisch für eine "Durchgriffsjustiz", die in den Zeiten der CDU-Alleinherrschaft in Sachsen installiert wurde. Insbesondere auf dem Ermittlungsgebiet der Organisierten Kriminalität, wo es häufig auch um korrupte Politiker und Staatsbeamte geht, hat sich dabei die Staatsregierung mit einer Verwaltungsvorschrift schon vor Jahren weitreichende Einflussmöglichkeiten gesichert. So sieht die im Januar 1998 vom Sächsischen Justizministerium beschlossene Vorschrift "über die Organisation und den Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften" eine straffe Berichts- und Genehmigungsregelung vor. Dass danach der einzelne Staatsanwalt seinen jeweiligen Behördenleiter über bedeutsame Ermittlungen unterrichten muss, mag nachvollziehbar sein. Die Leiter der Staatsanwaltschaften müssen darüber hinaus aber auch den Generalstaatsanwalt des Landes "frühzeitig (.) über alle bedeutenden Verfahren" informieren, der seinerseits dem Justizministerium zu rapportieren hat, wenn eine Strafsache "besondere Bedeutung hat (und) sie öffentliches Interesse erregt oder voraussichtlich erregen wird". In der Praxis kommt hinzu, dass geplante Ermittlungshandlungen wie Durchsuchungen oder Haftbefehle in "bedeutenden Verfahren" erst genehmigt werden müssen.

Ein Ermittler bringt das so auf den Punkt: "Wenn wir in das Rathaus hineinschießen wollen, müssen wir uns erst von ganz oben die Erlaubnis holen." Auf diese Art und Weise aber werden immer wieder Ermittlungen, die in politische Kreise Sachsens hineinreichen, hintertrieben oder behindert. Bei den Beamten sorgt das für Frust. Sie klagen, dass so nur Einzelfälle gelöst, Strukturen und Netzwerke aber so gut wie nie aufgeklärt und zerschlagen werden können.
Andreas Förster