Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.08.2007

„Ich klebe nicht an meinem Amt“

Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) sieht sich in der Korruptionsaffäre getäuscht. Die Opposition fordert seinen Rücktritt.
 
Im Presseraum des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) kamen Sachsens Innenminister die Worte gestern nur mühsam über die Lippen. Albrecht Buttolo (CDU) versuchte zu erklären, warum er noch im Juni mit einer dramatischen Rede im Landtag vor gefährlichen Mafia-Netzwerken in Sachsen gewarnt hat und nun einräumen muss, dass die von ihm beschworene Gefahr offenbar gar nicht existiert.

Die bisherige Auswertung der Verfassungsschutzakten, in denen der Dienst allerlei Gerüchte und Informationen über korrupte Politiker, Juristen und Polizisten zusammengetragen haben will, lasse jedenfalls kaum einen anderen Schluss zu. „Ich gehe nun davon aus, dass eine Reihe zu bearbeitender Straftatbestände bleiben wird, aber das Flächendeckende halte ich persönlich für eher unwahrscheinlich“, räumte Buttolo etwas verwirrend formuliert ein, sich beim Ausmaß der Organisierten Kriminalität im eigenen Land gehörig geirrt zu haben.

Fehler beim Verfassungsschutz

Die Schuld dafür gibt der Innenminister „einzelnen handelnden Personen im Landesamt“, von denen er sich arg getäuscht sieht. Gemeint ist die für die Organisierte Kriminalität zuständige Referatsleiterin, die Buttolo am Anfang der Affäre mehrfach persönlich über die Vorwürfe unterrichtet hatte.

Später stellte sich jedoch heraus, dass ihre vermeintlichen Erkenntnisse über Korruption und Kindesmissbrauch vorrangig von einem Polizisten stammen, den sie vorschriftswidrig als anonyme Quelle führte und der zuvor eben diese Vorwürfe zu überprüfen hatte. Gegen beide Staatsbedienstete wird zurzeit die Einleitung eines Disziplinarverfahrens geprüft. Suspendiert sind sie dagegen nicht.

Der neue LfV-Präsident Reinhard Boos bestätigte gestern erneut gravierende handwerkliche Fehler seiner Mitarbeiterin. Es sei eindeutig gegen Vorgaben verstoßen worden, wie mit den Akten und den darin gesammelten Informationen umzugehen ist.

Innenminister Buttolo sieht deshalb auch keinen Grund zum Rücktritt. Seine Rede vom Juni, in der er vehement vor der Mafia-Gefahr gewarnt hatte, würde er heute zwar nicht mehr halten. Es habe aber nur eine notwendige Neubewertung der Fakten gegeben, was auch zu seiner neuen Einschätzung der Situation geführt habe. Mehr sei nicht passiert. Vorsichtshalber machte sich Buttolo selber noch etwas Mut. „Ich klebe nicht an meinem Amt,“ erklärte er und appellierte gleichzeitig dafür, nun alles dafür zu tun, um die leidige Affäre schnellstmöglich aufzuklären.

So kündigte der Minister an, dass der Verfassungsschutz nun weitere Akten – diesmal zum Fallkomplex „Abseits 2“ – an die Staatsanwaltschaft übergeben wird. Die Papiere sollen Hinweise auf vermutete Korruptionsfälle in Plauen enthalten. Von 100 Ordnern, die der Verfassungsschutz zum Thema „Organisierte Kriminalität“ angelegt hat, sind damit 24 für die Justiz aufgearbeitet, sprich wegen des Quellenschutzes teilweise geschwärzt worden. Die Übergabe des kompletten Materials, in dem es unter anderem um Rocker sowie italienische und osteuropäische Banden geht, soll laut Boos noch in diesem Monat abgeschlossen sein.

Ebenfalls für August stellte Dietrich Beyer einen Zwischenbericht in Aussicht. Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof prüft seit drei Wochen die Arbeit des sächsischen Verfassungsschutzes und dessen interne Kontrollmechanismen. Per Gutachten will der Experte, der von drei Beamten aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hessen unterstützt wird, später Konsequenzen bis hin zu Gesetzesänderungen vorschlagen.

So lange will die Opposition aber nicht mehr warten. Dort sorgt Buttolos Meinungsumschwung für herbe Kritik. Die FDP sprach vom „unseriösen und peinlichen Schlingerkurs“ des Ministers, mit der er Sachsen der Lächerlichkeit preisgebe. Die Linken im Landtag schelten Buttolo als unglaubwürdiger denn je und als „rücktrittsreif“.
Von Gunnar Saft