Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 07.08.2007

Buttolos Wende in der OK-Affäre

 
Dresden. Er war jahrelang Richter am Bundesgerichtshof, jetzt soll er als Chef einer vierköpfigen Expertengruppe die Untiefen beim sächsischen Verfassungsschutz ausloten: Dietrich Beyer, pensionierter Spitzenjurist, prüft derzeit, wo im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) wann was schief gelaufen ist und wo – Stichwort Aktenaffäre zur Organisierten Kriminalität (OK) – Konsequenzen gezogen werden müssten. Hier steht für Beyer Zweierlei fest: Noch sei es zu früh, um endgültig Schlüsse zu ziehen; ein erster Zwischenbericht soll dennoch im August vorgelegt werden.

Dabei war Beyers öffentlicher Auftritt gestern Vormittag eindrucksvoll. Neben ihm hatten Albrecht Buttolo (CDU) und Reinhard Boos Platz genommen, der eine ist Innenminister, der andere LfV-Präsident. Dahinter aber stand eine lange Reihe mit Aktenordnern. „Abseits II“ stand auf den meisten, darin geht es um mögliche kriminelle Netzwerke im Vogtland. Dieses Material sei „abgabereif“, meinte Boos, werde jetzt an die Staatsanwaltschaft weitergereicht (diese Zeitung berichtete). Damit sei dann rund ein Viertel der insgesamt 100 Ordner zur OK abgegeben, so Boos.

Im Zentrum stand dann allerdings Buttolo. Hatte doch der Innenminister in einer Rede im Landtag Anfang Juni vehement davor gewarnt, dass OK-Netzwerke noch immer in Sachsen aktiv seien und – vor allem – zurückschlagen würden. Seit seiner Wende vom Wochenende muss Buttolo nun erklären, warum er dies jetzt anders sieht. Seine aktuelle Lesart lautet: Ja, er gehe sehr wohl davon aus, dass eine Reihe von Straftatbeständen vorlägen; aber nein, „das Flächendeckende“ halte er nun für eher unwahrscheinlich. „Ein Schluss, dass an allem nichts dran ist, kann derzeit nicht gezogen werden“, meinte er, seine Landtagsrede aber würde er „so nicht mehr halten“.

Grund dafür ist jene Linie, die Boos, Innenstaatssekretär Klaus Fleischmann sowie Regierungschef Georg Milbradt (CDU) bereits seit Wochen vorgeben. Einzelne LfV-Mitarbeiter hätten demnach unsauber gearbeitet, die Affäre sei keine Staatskrise, sondern lokal begrenzt – wenn überhaupt. Dem hat sich Buttolo nach langem Zögern angeschlossen. Er habe sich im Landtag auf damalige Erkenntnisse bezogen, Zweifel seien erst später aufgetaucht.

Einen Rücktritt schloss Buttolo gestern aus. Aber dann sagte er doch wieder einen jener Sätze, die typisch sind für ihn. „Ich klebe nicht an meinem Amt“, sprach er in die Mikrofone – was im Politikbetrieb normalerweise so viel heißt wie: Ich bin amtsmüde. Wie ernst es Buttolo damit ist, blieb unklar.

Schließlich hatte er, der sich nie an die Spitze des Innenressorts gedrängt hat, sich schon öfter ähnlich geäußert – und dann doch weiter gemacht.
Jürgen Kochinke