Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 14.08.2007

„Atypische Vereinbarungen“ - Internes Gutachten von Wirtschaftsprüfern bringt Sparkasse Leipzig weiter in Erklärungsnot

 
Dresden/Leipzig. Schon in der Vergangenheit war die Leipziger Sparkasse wegen dubioser Finanzdeals rund um ein Grundstück in Holzhausen mehrfach in die Kritik geraten. Erst monierten die Wirtschaftsprüfer von Deloitte & Touche „fehlende Auflagen bei der Kreditvergabe“, dann beschäftigte sich gar die Bankenaufsicht Bafin mit dem Projekt – und sprach von einer „Fülle an Negativmerkmalen“, mit denen die Kreditgeschäfte belastet worden seien. Die eine Prüfung fand im Januar 2005 statt, die andere im Februar 2007. Jetzt aber gibt es ein weiteres Gutachten zum selben Fall, und das ist allemal dazu geeignet, das Geldinstitut in akute Erklärungsnot zu bringen.

Es stammt von den Wirtschaftsprüfern der Fraud Management and Service GmbH (FMS), die auf firmeninterne Betrugsfälle spezialisiert sind und von der Sparkassenführung selbst eingeschaltet wurden. Dabei ist das geheime Papier vom 19. Januar 2007, das dieser Zeitung vorliegt, an Schärfe kaum zu überbieten. Da ist von „zahlreichen Auffälligkeiten/Unplausibilitäten“ die Rede, es seien „atypische Vereinbarungen“ festgestellt worden. Und immer wieder geht es um die Rolle führender Mitarbeiter der Sparkasse. „Allgemein geltende Regelungen und Grundsätze“ für das Kreditgeschäft seien von diesen „ohne erkennbare Motivation oder Begründung bewusst missachtet“ worden, lautet das Urteil. Insgesamt sei das Geschäftsgebaren der Banker „unvertretbar“, „intransparent“ und „nicht nachvollziehbar“.

Nach Ansicht der FMS-Wirtschaftsprüfer trifft dies nicht zuletzt die „zuständigen Entscheidungs- und Verantwortungsträger“ bei dem Geldinstitut. Hier fallen mehrere Namen, darunter ein längst geschasster Kundenbetreuer bei der Leipziger Sparkasse – und Thomas Demmer. Der war Generalbevollmächtigter und ist erst vor wenigen Wochen entlassen worden, wegen der „Vermischung von privaten und dienstlichen Belangen“, wie es in einem internen Schreiben der Sparkasse an das sächsische Finanzministerium heißt.

Demmer waren drei Privatwohnungen seiner Frau zum Verhängnis geworden, weil der Verkäufer von ihm selbst für die Sparkasse betreut wird. Letztlich dürfte aber gerade auch das FMS-Gutachten für den vorzeitigen Abgang des Bankers gesorgt haben, der als Vertrauter von Noch-Sparkassenchef Peter Krakow galt und in den Vorstand aufrücken sollte.

Bei dem Grundstück in Holzhausen handelt es sich unter anderem um Objekte in der Lortzingstraße (Colmblick), das der Bauunternehmer Sven Theus von einem anderen Sparkassen-Kunden gekauft hatte. Theus liefert sich seit rund eineinhalb Jahren ein beinhartes juristisches Tauziehen um einen 1,6-Millionen-Euro-Kredit, vor allem mit der Sparkassenspitze um Krakow, aber auch mit dem Leipziger Oberbürgermeister und Verwaltungsratsvorsitzenden Burkhard Jung (SPD). Die Tatsache, dass das FMS-Papier die Lesart von Theus weitgehend stützt, droht nun nicht zuletzt den vorzeitigen Abschied von Krakow von der Spitze des Geldinstituts zu verhageln.

Der Noch-Sparkassenchef, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bankenuntreue ermittelt, verlässt das Haus in rund zwei Wochen. Ursprünglich sollte der Wechsel Ende 2007 erfolgen. Nachfolger Harald Langenfeld führt bereits faktisch die Geschäfte. Die Sparkasse selber wollte sich gestern nicht zu den neuen Vorwürfen äußern. Interne Vorgänge und Korrespondenzen könnten nicht in der Öffentlichkeit kommentiert werden, sagte Sprecherin Constanze Bröker auf Anfrage.

In ihrem Gutachten verweisen die FMS-Kontrolleure auf eine Fülle von Merkwürdigkeiten beim Deal mit dem Colmblick. So habe das Geldinstitut weder die „fachliche Qualifikation“ des Theus-Vorgängers geprüft, noch dessen „persönliche Kreditwürdigkeit“. Dies „führte dazu, dass der Engagementverlauf bereits wenige Monate nach der Krediterstbewilligung fast zwangsläufig Negativentwicklungen aufwies“, heißt es in dem Papier.

Als Theus das finanziell marode Projekt schließlich 2003 übernahm, sei es zu weiteren Auffälligkeiten gekommen. Erst sei der Theus-Vorgänger von der Sparkasse lastenfrei gestellt worden, dann habe er von Theus gar „Provisionszahlungen in Höhe von rund 136 000 Euro“ erhalten. Dies sei nicht nur „nicht nachvollziehbar“, sondern habe zu einem Kreditausfall „in nennenswerter Höhe“ geführt. Laut FMS-Prüfern beträgt der Schaden mindestens 572 000 Euro.
von Jürgen Kochinke