Karl Nolle, MdL

SPIEGEL 34/2007, Seite 64, 19.08.2007

Sachsen LB in Geldnot

Viele Banken haben milliardenschwere Risiken ausgelagert. Doch die Konstrukte ähneln Zeitbomben.
 
Die US-Immobilienkrise hat nach der IKB eine zweite deutsche Bank erwischt: Die öffentlichrechtliche Sachsen LB braucht von der Sparkassen-Finanzgruppe einen Kreditrahmen von atemberaubenden 17,3 Milliarden Euro, um die Liquidität eines wackligen Investmentvehikels zu sichern.

In Krisensitzungen wurden die sächsische Landesregierung, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sowie die Vorstandsvorsitzenden der anderen Landesbanken vergangene Woche von Bundesbank und Finanzaufsicht über die dramatische Lage informiert. Demnach soll die Sachsen LB über zwei irische Gesellschaften namens Ormond Quay und Georges Quay unter anderem in sogenannte US-Subprime-Kredite in Höhe von über drei Milliarden Euro investiert haben. Nun drohen Bewertungsverluste von mindestens 500 Millionen Euro. Dazu wollte ein Sprecher der Sachsen LB keine Stellung nehmen.

Weit schwerer noch wiegt die fehlende Liquidität bei den irischen Gesellschaften selbst, die mit über 20 Milliarden Euro auf den internationalen Kreditmärkten ein riesiges Rad drehen. Zwar sind die Deka Bank und alle Landesbanken bereit, der Sachsen LB beizuspringen. Doch sie verlangten und erhielten im Gegenzug eine Garantieerklärung vom sächsischen Finanzminister Horst Metz, in Personalunion Verwaltungsratsvorsitzender der Sachsen LB. Damit sollen künftige Verluste ausgeglichen werden.

"Die Lösung ist ein Beweis für Solidarität und Handlungsfähigkeit deutscher Banken", sagt Jochen Sanio, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

Die Manager der Sachsen LB waren erst 2004 in das US-Kreditgeschäft eingestiegen. Wie schon bei der IKB, bei der die staatliche KfW Bankengruppe den Großteil des Schadens ersetzen muss, steht bei der Sachsen LB letztlich der Steuerzahler gerade.

Konstruktionen wie Ormond Quay heißen im Bankerjargon "Conduits" und gelten als hochkomplexe Geheimwaffen der Bankbilanzakrobaten. "Alchimie, die funktioniert", jubelte einst ein US-Finanzexperte. Beinahe jede deutsche Groß- und Landesbank kreierte ein solches Konstrukt. Allerdings gingen Sachsen LB und IKB dabei viel größere Risiken ein als ungleich potentere Institute wie etwa die Deutsche Bank oder die Commerzbank.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Tochtergesellschaften dürfen diese schwarzen Löcher der Hochfinanz ganz legal ein Eigenleben außerhalb der Bankbilanzen führen. "Es ist möglich, zu demonstrieren, dass niemand den Conduit kontrolliert", heißt es in einer Broschüre des Wirtschaftsprüfers PricewaterhouseCoopers. Niemand muss das Konstrukt in die eigenen Bücher nehmen - was niemand kontrolliert, muss auch niemand mit Eigenkapital unterlegen.

Die lästigen Vorschriften der Finanzaufsicht lassen sich so bequem und günstig aushebeln. Egal ob in Irland, Delaware oder auf Jersey, die Installation solcher Spezialgesellschaften kostet nur ein paar tausend Euro und kaum Eigenkapital. Allein in europäischen Conduits liegen derzeit Werte in Höhe von mehr als 350 Milliarden Euro.

Oft parken die Banker darin lang laufende Kreditpapiere wie etwa US-Hypotheken. Den Kauf finanzieren sie mit sehr kurzfristigen Anleihen. Das wurde nun der Sachsen LB zum Verhängnis.