Karl Nolle, MdL

Die Welt, 21.08.2007

Wundertüte oder Black Box: Die Geschäfte der Sachsen LB in Dublin

Irland-Tochter bescherte Landesbank lange hohe Gewinne - Finanzaufsicht rügte aber schon 2005 mangelnde Kontrolle
 
Die Irland-Tochter bescherte der sächsichen Landesbank lange hohe Gewinne. Ohne die hohen Gewinne des Ablegers in Dublin hätte das ertragsschwache Leipziger Bankhaus schon mehrfach rote Zahlen ausweisen müssen. Die Finanzaufsicht rügte aber schon 2005 die mangelnde Kontrolle.

Die Landesbank Sachsen (SachsenLB) hat sich in den vergangenen Jahren in immer stärkere Abhängigkeit von den komplizierten Kapitalmarktgeschäften ihrer irischen Tochter SachsenLB Europe plc. (SLBE) begeben. Ohne die hohen Gewinne, die der Ableger in Dublin erwirtschaftete, hätte das ertragsschwache Leipziger Bankhaus schon mehrfach rote Zahlen in seinen Bilanzen ausweisen müssen. Jetzt aber ist die SLBE ihrer Mutter fast zum Verhängnis geworden. Dabei war man in Sachsen vorgewarnt: Bereits im April 2005 hatte ein im Auftrag der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (BaFin) erstellter Sonderprüfbericht auf gravierende Defizite bei der Kontrolle der Dubliner Tochter hingewiesen.

Die damals festgestellten Mängel aber sind Bankenkritikern zufolge auf die leichte Schulter genommen worden. Auch deshalb sei jetzt eine dramatische Rettungsaktion erforderlich geworden: Die Sparkassen-Organisation musste der SachsenLB eine Kreditlinie über 17,3 Mrd. Euro einräumen. Nur damit konnte eine existenzgefährdende Liquiditätskrise abgewendet werden, die Dubliner Sachsen LB-Manager verursacht hatten: Sie waren über eine Ormond Quay genannte Gesellschaft milliardenschwere Engagements auf dem US-amerikanischen Hypothekenmarkt eingegangen – eine Fehlspekulation.

Im Auftrag der BaFin hatten die Wirtschaftsprüfer von KPMG das Geschäftsmodell der SLBE unter die Lupe genommen. Der vor gut zwei Jahren vorglegte Prüfbericht fiel vernichtend aus. Die Irland-Tochter, so der Tenor des Dossiers, das der WELT vorliegt, werde durch die Konzernzentrale nicht ausreichend kontrolliert. Dazu würden auch die Voraussetzungen fehlen: Das interne Kontroll- und Risikosystem genüge nicht den Anforderungen – „so dass die eingegangenen Risiken den bestehenden strategischen Geschäftschancen nicht transparent gegenübergestellt wurden und nicht in die Finanzberichterstattung eingegangen sind“.

Nachdem Teile des Berichts im Oktober 2006 publik geworden waren, beschwichtigte die Sachsen LB, man habe die Defizite „vollumfänglich abgearbeitet“.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag, Karl Nolle, hält das für eine Täuschung der Öffentlichkeit. Dublin, so sagt er, sei eine „Black Box“. In der Tat sind weder dem Kreditausschuss noch dem Verwaltungsrat der Bank die genaue Größenordnung der Engagements der SLBE bekannt, die nicht in der Bilanz der SachsenLB vermerkt sind.

Laut BaFin-Bericht wurde per 31. August 2004 ein Portfolio von 30,7 Mrd. Euro gemanagt. Im Juli 2006 wurde dann zufällig eine weit höhere Zahl bekannt: Etwa 45 Mrd. Euro, das Dreifache des sächsischen Landeshaushaltes. Nun wird ein noch größeres Rad gedreht. Auf Anfrage teilte die Bank mit, das aktuelle Volumen liege bei rund 65 Mrd. Euro. Mit den Verhältnissen bestens vertraut ist Vorstandschef Herbert Süß, seit Sommer 2005 im Amt und zuvor Sparkassenchef in Dresden. Er sitzt schon seit 2002 im Board of Directors der SLBE.

Im April dieses Jahres hatte Süß bei der Bilanzpressekonferenz die Irland-Tochter als eine Art Wundertüte bezeichnet. Sie leiste „den entscheidenden Beitrag“ zum Ergebnis. Von der Prüfgesellschaft PwC ließ er sich bescheinigen, dass mit Dublin keine besonderen Risiken verbunden seien. Doch das war wohl ein Irrtum.
von Uwe Müller