Karl Nolle, MdL
Süddeutsche Zeitung, 25.08.2007
Eine Wundertüte ist geplatzt
Die SachsenLB hat sich selbst an den Rand des Ruins manövriert - durch ihre Dubliner Tochterfirma, die lange als musterhaft galt
Dresden - Die Herren, die am Freitagmorgen kurz vor zehn Uhr das Sparkassenzentrum am Güntzplatz der sächsischen Landeshauptstadt Dresden betraten, hatten es eilig und kamen in geheimer Mission. Was die Vertreter der Landesregierung, der SachsenLB, der baden-württembergischen Landesbank LBBW, der Finanzaufsicht Bafin und des Sparkassenverbandes in dem aufwendig renovierten Altbau miteinander zu besprechen hatten, war im höchsten Interesse des Freistaates und duldete keinen Aufschub mehr: der Verkauf der sächsischen Landesbank.
Dabei war es gerade eine Woche her, dass die SachsenLB einräumen musste, sie brauche eine Kreditlinie in Höhe von 17,3 Milliarden Euro, um Ausfallrisiken aus Geschäften auf dem krisengeschüttelten amerikanischen Hypothekenmarkt abzudecken. Die Sparkasse-Finanzgruppe half den Sachsen daraufhin umgehend und räumte der kleinsten deutschen Landesbank den geforderten Finanzrahmen ein. Freilich hatten die Sparkassen-Vertreter keine andere Wahl, denn ohne das schnelle Darlehen wäre die SachsenLB unter der Last ihrer Verpflichtungen zusammengebrochen.
Dass bereits sieben Tage nach der spektakulären Rettungsaktion der Verkauf der einzig originär ostdeutschen Landesbank hastig vorangetrieben wird, hat viele Gründe: ökonomische, politische und auch persönliche. Schließlich war es in der vergangenen Woche nicht gelungen, die Bank aus der öffentlichen Kritik zu holen und die Glaubwürdigkeit des Landesinstituts wieder herzustellen. Im Gegenteil, fast jeden Tag kamen neue Schreckensmeldungen an die Öffentlichkeit. Und mit jeder neuen Meldung wuchsen die Sorgen um die Bank, in der Bafin-Kontrolleure fieberhaft damit beschäftigt waren, sich Klarheit über offene und versteckte Risiken zu verschaffen.
Freilich war den Bafin-Leuten schon lange klar: Die mit einem Eigenkapital in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ausgestattete Landesbank - sie gehört dem Freistaat und der Sachsen-Finanzgruppe - hat über ihre Dubliner Tochter SachsenLB Europe (SLBE) ein viel zu großes Rad auf dem internationalen Kapitalmarkt gedreht. Bereits im April 2005 hatte ein im Auftrag der Bafin erstellter Bericht der Prüfungsgesellschaft KPMG, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, die Summe der SLBE-Engagements auf knapp 31 Milliarden Euro hochgerechnet und dabei schwere Managementfehler moniert.
Großes Rad gedreht
Für den damaligen Landesbank-Chef Michael Weiss war dies allerdings kein Grund, seinen Dubliner Mitarbeitern Zügel anzulegen. Das Rad wurde weitergedreht. Im Juli 2006 hatte sich das vorrangig außerbilanzielle Geschäftsvolumen der irischen Gesellschaft auf 45 Milliarden Euro erhöht - in etwa das Dreifache des sächsischen Landeshaushalts. Ein Jahr später nun haben sich die Dubliner Portfolien auf atemberaubende 65 Milliarden Euro erhöht. Wie viel davon ausfallgefährdet ist, kann derzeit wohl kaum einer sagen. Das hänge, so sagen die Prüfer, von den laufenden Untersuchungen, vor allem aber von der Marktentwicklung ab.
Dass die Sachsen sich überhaupt in dem risikoreichen Kapitalmarktgeschäft so überaus exponierten und eigens dafür eine irische Tochtergesellschaft gründeten, hat längst nicht nur mit dem persönlichen Ehrgeiz des damaligen Bankenchefs Weiss zu tun, sondern war auch politisch gewollt. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und sein Nachfolger Georg Milbradt (beide CDU), zu jener Zeit Finanzminister im Freistaat, pochten im Unterschied zu den übrigen ostdeutschen Ländern auf eine eigenständige Landesbank. Dabei war eigentlich schon Anfang der neunziger Jahre klar, dass aufgrund des kleinen sächsischen Marktes und der schwachen Wirtschaftsentwicklung im Osten eine sächsische Landesbank im Alleingang ein ökonomischer Zwerg bleiben würde. Man entschied sich dennoch für eine eigene SachsenLB und gründete eine Bank, die jahrelang hinsichtlich Geschäftsvolumen und Rendite vor sich hin dümpelte.
Das änderte sich erst, als die bis dato ertragsschwache Bank via Dublin ins Kapitalmarktgeschäft einstieg und ihren Gesellschaftern steigende Gewinne einbrachte. Damals habe keiner genau hingeschaut, woher dieses Geld plötzlich stammte, sagt ein Mitglied des Anteilseignerkreises. Man habe die Ausschüttungen kassiert und einfach nicht nachgefragt. Und auch in der Vorstandsetage wurde nicht genau hingeschaut, was die Dubliner Tochter tat. Das dort betriebene Geschäft mit sogenannten Asset Backed Securities, das den Kauf- und Verkauf von gebündelten Kreditpaketen beinhaltet, galt als narrensicher - jedenfalls solange der Markt mitspielte. Kritiker aus dem heimischen Lager, wie der damalige Chef der Sparkasse Dresden und heutige Vorstandsvorsitzende der SachsenLB, Herbert Süß, wurden von Weiss ruhiggestellt. Süß sitzt seit 2002 im Board of Directors der SLBE.
Fragen allerdings hätte es schon damals viele geben müssen. Zwar produzierte die Dubliner Tochter regelmäßig Gewinne, mit denen Verluste der Leipziger Mutter ausgeglichen wurden; für Insider der Bank aber fielen die - gemessen an der Höhe des Engagements - viel zu niedrig aus. So stellen sie nun die Frage, ob nicht Teile des Gewinns in dunkle Kanäle geflossen sind. Merkwürdig für sie ist auch, dass es zwei leitenden Mitarbeitern gestattet wurde, außerhalb des eigentlichen Dubliner Geschäfts, dort auf eigene Rechnung einen Fonds aufzulegen und dass die Bank sich daran noch mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag beteiligte. Die einzige Forderung des Vorstands, so ein Kenner der Vorgänge um die Dubliner Tochter, sei eine 50-prozentige Gewinnabführung an die SachsenLB gewesen. Anders, argumentiert wiederum der Vorstand, habe man hochkarätige Banker nicht an die SachsenLB binden können.
Bauernopfer gefordert
Als Weiss, Vorstandsmitglied Rainer Fuchs und Interimschef Hans-Jürgen Klumpp im Laufe des Jahres 2005 die immer wieder von Skandalen und Skandälchen umwitterte Landesbank verlassen mussten, machte Nachfolger Herbert Süß genau dort weiter, wo seine Vorgänger aufgehört hatten. Süß glaubte an den anhaltenden Erfolg der irischen Unternehmung und ließ von der Prüfungsgesellschaft PwC bescheinigen, die Kreditpakete der Dubliner Tochter stellten keine besonderen Risiken dar. Für Süß war dies Anlass genug, auf der Bilanzkonferenz für 2006 von der "Wundertüte" SLBE zu sprechen. Dublin habe den "entscheidenden Beitrag" zum Rekordgewinn in diesem Jahr geleistet.
Seit die Wundertüte geplatzt ist, hält sich Süß mit öffentlichen Aussagen zurück. Intern aber hat er viel reden müssen, um am Mittwochabend seinen Intimus aus alten Hongkonger Zeiten, Stefan Leusder, den er persönlich in den Vorstand der SachsenLB geholt hatte, zum Rücktritt zu bewegen. Leusder, der im Vorstand für die Dubliner Tochter verantwortlich ist, war zwar nervlich angeschlagen, wollte zunächst aber nicht das "Bauernopfer" spielen. Süß hat Leusder schließlich doch noch "überzeugen" können, seinen Hut zu nehmen. Die Probleme der Bank sind damit allerdings nicht vom Tisch. (Seite 23)
Von Steffen Uhlmann