Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 25.08.2007

Das Misstrauen bleibt

Ratingagentur Fitch verteidigt Verhalten in der Kreditkrise / Diskussion um deutsche Banken
 
Frankfurt - Die Ratingagentur Fitch hat die zuletzt massive Kritik an der Rolle der Bonitätswächter in der aktuellen Finanzkrise zurückgewiesen. "Wir machen keine Vorhersagen zu Marktpreisen und Liquiditätsengpässen, sondern bewerten lediglich die Ausfallwahrscheinlichkeit von Krediten", sagte Thomas von Lüpke, Chef des Bankenteams von Fitch in Deutschland. Deutsche und französische Politiker hatten am Donnerstag die vermeintlich zu optimistische Bewertung von Wertpapieren und Banken kritisiert und eine strengere Regulierung der Ratingagenturen gefordert. Die europäischen Finanzaufsichtsbehörde verlangt deshalb Anfang Oktober ein Treffen mit Vertretern der Ratingagenturen. Es solle geklärt werden, welche Rolle sie bei der Krise am US-Markt für zweitklassige Hypothekenkredite gespielt hätten, teilte der Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierer CESR am Freitag mit.

Hintergrund der Kritik ist, dass in den vergangenen Monaten Wertpapiere, die mit Krediten besichert sind, teils drastisch an Wert verloren haben, obwohl Ratingagenturen sie mit Bestnoten versehen hatten. "Man kann die Ratingagenturen kritisieren, wenn es zu massiven Ausfällen von Wertpapieren kommt, die mit AAA bewertet sind", sagte Jens Schmidt-Bürgel, Deutschland-Chef von Fitch. Bislang habe es bei solchen Papieren jedoch keine Ausfälle gegeben. Man müsse unterscheiden zwischen dem Ausfallrisiko und der Gefahr, dass der Marktpreis für verbriefte Kredite schwanke, weil niemand mehr bereit sei, das Papier zu kaufen. Fitch habe bei den deutschen Banken IKB und SachsenLB auf Risiken hingewiesen, die durch Verpflichtungen gegenüber Zweckgesellschaften entstünden, sagte Lüpke. Die beiden Banken waren in Schieflage geraten, weil sie für mögliche Verluste bei ausgelagerten Gesellschaften geradestehen mussten. Auch bei Banken werden die Ratingagenturen aber offenbar kritisch gesehen. "Auf die Ratings wird sich keiner mehr verlassen", sagte ein Banker. Es gebe einen großen Bedarf an Leuten in den Banken, die etwas von Risiken verstehen.

Die Aktien der börsennotierten Institute Deutsche Bank, Commerzbank, Postbank und Hypo Real Estate kamen am Freitag weiter unter Druck. WestLB-Chef Alexander Stuhlmann hatte Anfang der Woche angedeutet, ausländische Banken zögerten, ihren deutschen Pendants Kredite zu gewähren. Würden deutsche Banken vom Ausland geschnitten, könnten weitere Institute in Schwierigkeiten geraten. Am Freitag hieß es in Frankfurt, deutsche Institute würden in Londoner Finanzkreise kritisch beäugt - habe es doch erst 2002 große Probleme mit faulen Krediten und Wertberichtigungen gegeben. Jetzt tauchten deutsche Banken schon wieder in der ersten Reihe mit neuen Schwierigkeiten auf.

Fitch-Analyst Luepke versuchte, Sorgen um die deutschen Banken zu zerstreuen. "Das Bankensystem insgesamt kann den Schock gut verkraften." Allerdings rechnet er damit, dass die Erträge im zweiten Halbjahr sinken. Es sei auch verständlich, dass ausländische Banken die deutschen Institute angesichts der Krise vor fünf Jahren mit einer gewissen Skepsis sähen. Die Institute hätten seitdem jedoch große Fortschritte gemacht. Stefan Best, Banken-Analyst beim Fitch-Konkurrenten S&P, hatte dagegen Anfang August gesagt, eine Wende im Kreditzyklus oder eine andere Art von Schock würde deutsche Banken härter treffen als rentablere ausländische Banken.

Ratingagenturen und Banker halten es nicht für Zufall, dass mit der SachsenLB eine Landesbank am stärksten betroffen sei. Die Landesbanken hätten sich vor der Abschaffung staatlicher Garantien 2005 mit Geld vollgesogen, sagte ein Banker. Daher dürften sie eigentlich keine Liquiditätsschwierigkeiten haben. Die Frage sei aber, in welche Wertpapiere sie dieses Geld angelegt hätten. Fitch-Analyst Lüpke sagte: "Manch eine Bank hatte Probleme, dieses Geld gewinnbringend anzulegen und ist dabei womöglich zu hohe Risiken eingegangen."

Dagegen sei er vor allem bei der Deutschen Bank davon überzeugt, dass sie ihre Risiken adäquat steuere. Experten rechnen aber damit, dass bei Investmentbanken wie der Deutschen Bank bald negative Effekte sichtbar werden. "Wenn die amerikanischen Investmentbanken Ende September ihre Zahlen vorlegen, werden wir die Schleifspuren sehen", sagte ein Bankvorstand.
Von Helga Einecke und Martin Hesse