Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 01.09.2007
Der Finanzminister packt ein
Der Rücktritt von Horst Metz rückt Sachsens Regierungschef Georg Milbradt endgültig ins Visier der Kritiker.
Der schwarze Freitag begann für Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) gestern mit einem Lächeln. Nach der Dienstfahrt acht Uhr früh vom Wohnort Dresden-Pappritz in die Staatskanzlei folgte nämlich zuerst ein Protokolltermin. Der Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister des Fürstentums Liechtenstein hatte sich angesagt. Und vor den Objektiven der Pressefotografen herrschte eitel Sonnenschein.
Danach begann sich Milbradts Tag jedoch deutlich zu verdüstern. Noch vor dem Mittagessen – die Kantine in der Regierungszentrale bot diesmal Sülze mit Bratkartoffeln oder gebratenen Fisch – meldete sich sein Finanzminister. Der sollte am Nachmittag vor dem Landtag eine Regierungserklärung zum Notverkauf der sächsischen Landesbank halten. Doch Horst Metz kam nicht nur mit dem Redemanuskript, sondern auch mit einer Entscheidung. Der langjährige politische Weggefährte konnte und wollte nicht mehr. Er informiert den Regierungschef über seinen Entschluss zum Rücktritt. Überfällig, wie die Opposition später erklären wird. Eine ehrenwerte Entscheidung, die Respekt verdient, heißt es danach bei der CDU.
40 Minuten bis zum Abgang
Georg Milbradt, der wegen der durch Spekulationsgeschäfte ausgelösten Bankkrise ebenfalls unter politischem Druck steht, muss sich entscheiden: Hilft ihm der angebotene Handtuchwurf oder nicht? Auf jeden Fall muss neu disponiert werden. Per Telefon und mit engsten Vertrauten.
Gegen 14 Uhr geht es schließlich von der Staatskanzlei auf die andere Elbseite in den Landtag. Und obwohl dort das Rücktrittsgerücht bereits die Runde macht, will es so recht kaum jemand glauben. Tatsächlich erwähnt der Ministerpräsident den geplanten Rückzug des Finanzministers mit keiner Silbe, als sich die CDU-Fraktion zu letzten Absprachen trifft. Nur Metz selber, das fällt einigen Abgeordneten auf, fehlt. Dafür taucht er pünktlich 15 Uhr am Rednerpult des Parlaments auf. Der Saal ist gut gefüllt, die Zuschauertribüne brechend voll. Doch Metz, dem jetzt noch gut 40 Minuten bleiben, um seinen Entschluss zu überdenken, beginnt wie erwartet. Im Tonfall pathetisch verteidigt er den Notverkauf der Landesbank als Erfolg. Schaden sei vom Freistaat abgewendet und die Zukunft des Kreditinstitutes gesichert worden. Die Opposition bricht immer wieder demonstrativ in Gelächter aus. Nur wenige achten auf Milbradt, der auf der Regierungsbank entweder nervös mit seinem Handy hantiert oder mit leerem Blick in zwei Akten blättert.
Ruhig wird es erst, als Metz ein paar Worte in eigener Sache ankündigt. Die handeln von Verantwortung, Schmerz und von der Politik. Schließlich sagt er: „Ich halte inne.“ Metz verweist auf seinen Rücktritt zum Monatsende. Nach fünf Jahren, vier Monaten und 28 Tagen im Amt soll Schluss sein.
Einige Tränen und etwas Trost
Das Aus war somit offiziell und sorgte nicht nur bei der CDU für Irritationen. Metz' Abgang zu seinem Sitzplatz wurde dort zunächst nur von wenigen klatschenden Händen begleitet. Die Verblüffung war größer. Doch schließlich besann man sich auf die üblichen Rituale. Als Erster kommt Milbradt und muntert seinen Noch-Minister mit einem Handschlag auf. Die Kameras klicken. Zuviel für Horst Metz, der sich mit einer handvoll Getreuer in den Innenhof des Landtages zurückzieht. Dort stehen sie dann, vier, fünf Kabinettsmitglieder und bilden um ihn einen Kreis. Metz, der Gescheiterte, sieht aus, als hätte er ein paar Tränen in den Augen.
Fahrplan gerät in Gefahr
Doch das politische Geschäft duldet keine Gefühlsduselei. Die Oppositionsredner ändern schnell ihre Manuskripte. Statt Metz taucht dort jetzt Milbradts Name auf, wenn es um Konsequenzen für die Bankkrise geht. Ein Rücktritt reiche nicht, um der Verantwortung für das Finanzdesaster zu entgehen. Nun ist es am Ministerpräsidenten, der am Rednerpult erklärt, der Notverkauf der Bank sei ein Erfolg und Schaden vom Land abgewendet worden. Doch statt Gelächter schallt ihm von den Oppositionsbänken das böse Wort von vorgezogenen Neuwahlen entgegen. Milbradt geht darauf nicht ein. Sicher denkt er voraus. In zwei Wochen muss sich der CDU-Landesvorsitzende auf einem Parteitag erneut zur Wahl stellen. 76 Prozent Zustimmung gab es zuletzt. Künftig dürfen es nicht viel weniger sein, sonst gerät der große Fahrplan in Gefahr: Milbradts bereits angekündigte Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2009. Und so wird er in den nächsten Tagen wieder viel telefonieren. Mit Parteifreunden, aber auch mit Bankexperten. Was passiert, wenn es neue Hiobsbotschaften gibt, hat er eben miterlebt. Dann drohen der Innenhof des Parlaments und eine handvoll Tröster.
Gunnar Saft