Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 05.09.2007

Sachsen-SPD will Koalition fortsetzen

SPD-Landeschef Thomas Jurk hält am Bündnis mit der CDU fest – auch gegen starken Widerstand aus den eigenen Reihen.
 
Mit Gebärdensprache und dem Klimawandel habe sich Sachsens Kabinett befasst, teilte Regierungssprecherin Katrin Träger gestern auf Nachfrage mit. Und damit spielte sie nicht etwa auf den jüngsten Koalitionskrach an, der CDU und SPD die Sprache verschlagen haben könnte. Nein, das schwarz-rote Koalitionsgewitter vom Wochenende sei gestern nicht einmal angesprochen worden in der Ministerrunde, beteuerte sie. Die Regierung konzentriere sich auf Sacharbeit.

Schadensbegrenzung lautete die Devise der beiden Koalitionspartner, gemischt mit ein wenig Katzenjammer über den weiteren Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit durch das Dauer-Gezänk auf Regierungsebene. „Wir sind in vielen Bereichen gemeinsam erfolgreich, und das dürfen wir uns nicht kaputt machen lassen“, ärgerte sich auch SPD-Landeschef Thomas Jurk. „Wir wollen die Koalition fortsetzen“, beschwor der Vize-Ministerpräsident in der Nacht die eigene Parteispitze. „Wir haben eine Verantwortung übernommen“, mahnte er die Genossen zur Koalitionstreue und versuchte, die Rebellen unter ihnen wieder einzufangen. Das scheint ihm erneut gelungen zu sein – bis zum nächsten Mal, fürchten Kritiker. Denn die Abstände zwischen den Drohungen von SPD-Seite, aus der Koalition auszusteigen, werden kürzer.

Jurk in der Zwickmühle

In der Zwickmühle bleibt der SPD-Chef in jedem Fall: Einerseits muss er der Parteibasis erklären, warum zurzeit so viel schiefläuft in der Dresdner CDU/SPD-Regierung. Andererseits sieht die Alternative der SPD, wenn sie jetzt aus der Koalition ginge, eher düster aus. Angesichts mieser Umfrage-Werte könnte die SPD kaum hoffen, von der harten Oppositionsbank aus mehr Wähler gewinnen zu können als durch gute Arbeit in den SPD-Ressorts Wirtschaft und Wissenschaft.

Diese Erkenntnis scheint selbst bei schärfsten Koalitions-Kritikern wie dem Landtagsabgeordnete Karl Nolle zu reifen. Er hielt sich gestern bereits wieder auffällig zurück. Er teile die Auffassung des Dresdner SPD-Ortsvereins Striesen-Gruna-Blasewitz, teilte er nur mit. Der hatte wie andere Genossen an der Basis Jurk gemahnt, endlich für einen besseren Umgangsstil der CDU zu sorgen – oder auszusteigen.

SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss hatte vor wenigen Tagen aus Frust und Verärgerung unerwartet scharf in die gleiche Kerbe geschlagen. Doch er legt in wenigen Tagen sein Amt nieder. Und die neue, koalitionsfreundlichere Fraktionsspitze kommt: Martin Dulig soll die SPD-Abgeordneten künftig führen, heißt es – mit Stefan Brangs an seiner Seite. „Wir werden in den nächsten beiden Wochen um diese Koalition kämpfen“, kündigt Dulig an. Er sieht die SPD an einer Wegscheide. „Wir müssen jetzt entscheiden, wo wir hinwollen.“ Aber auch er drängt darauf, dass die CDU ihren Umgangsstil ändern muss. Da ist er sich mit Stefan Brangs einig. „Wir brauchen mehr Geschlossenheit und mehr Gelassenheit“, sagt der Gewerkschafter. Durchaus selbstkritisch: „Wie wir momentan agieren, ist nicht gerade sehr professionell.“

Unterdessen haben sich die Linksfraktion, FDP und Grüne im Landtag über mögliche Neuwahlen zerstritten. Einen Antrag der Linken zur Parlamentsauflösung lehnte die FDP als „Kasperletheater“ ab.
Von Annette Binninger