Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.09.2007

„Unter Image-Verlust leiden alle“

Parteichef und Minister Thomas Jurk über die Lage der schwächelnden SPD, die Koalition und die Verantwortung für das Landesbank-Fiasko
 
Dresden. Sachsens SPD-Chef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk fordert von der Union mehr Offenheit in der Regierungsarbeit. Die Umbildung des Kabinetts hält er für den richtigen Weg, um die schwarz-rote Koalition bis 2009 zum Erfolg zu führen.

Frage: Die SPD landet in der jüngsten Umfrage in der Wählergunst hinter der NPD. Wie sehr schmerzt das?

Thomas Jurk: Falls die Zahlen so stimmen, ist das erschütternd. Wenn sowohl die Bundes-SPD als auch die Landes-SPD in Umfragen auf Tiefstständen liegt, müssen wir alles dafür tun, um aus dem Tal wieder herauszukommen.

Was heißt das konkret?

Arbeiten, arbeiten und nochmal arbeiten. Und unsere Erfolge in den Regierungen in Berlin und Dresden noch deutlicher machen.

Fühlt sich die SPD unverstanden?

Offensichtlich fühlen sich viele Menschen noch nicht als Teilhaber des Aufschwungs am Arbeitsmarkt. Dieses Gefühl müssen wir aufgreifen. Wir müssen unsere Politik stärker auf die Bedürfnisse der Menschen ausrichten.

Welche Schuld trägt die Krise der Landesregierung?

Es hat natürlich Folgen für die Koalitionspartner, wenn eine Regierung nur noch mit Negativschlagzeilen über den Verfassungsschutz bis hin zur Landesbank begleitet wird. Unter diesem Image-Verlust und einem schlechten Krisenmanagement wie der Mafia-Rede des Innenministers leiden alle Beteiligten –obwohl doch parallel eine fachlich sehr gute Arbeit geleistet wird.

Trägt nicht auch die SPD eine Mitverantwortung?

Natürlich muss sich jeder selbst prüfen. Aber uns haben die ungeheuerlichen Vorwürfe gegen jene Menschen schockiert, die in Leipzig sehr gute Arbeit geleistet haben.

Stehen Sie als Mitglied des Verwaltungsrates beim Landesbank-Desaster in persönlicher Verantwortung?

Ich stelle mir genau wie anderen 19 Mitglieder des Verwaltungsrates die Frage, ob man hätte etwas anders machen können. Man muss aber deutlich sagen, dass die Vorstände ihre Informationspflichten nicht erfüllt haben.

Gab es Momente, in denen Sie aus der Koalition aussteigen wollten?

Für mich steht fest: Die SPD muss der Verantwortung gerecht werden, die sie mit dem Koalitionsvertrag eingegangen ist. Es geht nicht um ein Verlassen der Koalition, sondern um Probleme, die man offen ansprechen und beseitigen muss. Das werden wir aber intern tun und nicht über die Medien. Ich wünschte mir dabei manchmal weniger Aufgeregtheiten. Mit einem Negativ-Image gefährden wir nur den wirtschaftlichen Aufschwung.

Dazu hat aber auch der Kollaps der Landesbank beigetragen ...

Da wird noch manches aufzuarbeiten sein. Aber wir müssen auch nach vorne schauen und die Bank am Standort Leipzig nutzen, um das Wachstum der heimischen Firmen zu unterstützen. Ich habe in Stuttgart den Eindruck gewonnen, dass wir in der Not mit der Landesbank Baden-Württemberg den besten Partner gefunden haben.

Ministerpräsident Milbradt will sein Kabinett umbilden. Welche Erwartungen haben Sie?

Nach der Stillosigkeit, mit der einige in der CDU die Ernennung von Eva-Maria Stange zur Wissenschaftsministerin begleitet haben, werden wir uns dazu nicht äußern. Es gebietet der politische Anstand, dass der Koalitionspartner seine personellen Entscheidungen frei treffen kann. Generell ist die Umbildung das richtige Signal.

Die SPD hat ein Problem, sich von der Linken abzusetzen, die in Sachsen dreimal so stark ist und von der Korruptionsaffäre offenkundig profitiert hat.

Das ist aber nicht unser Stil. In unseren Reihen gibt es auch keine Mitarbeiter des ehemaligen MfS.

Aber Sie müssen sich aus der Klammer zwischen Linken und CDU befreien.

Das geht nur, wenn wir klare, sozialdemokratische Positionen vertreten, etwa mit dem Kampf für die Einführung eines Mindestlohnes. Die Linke macht es sich leicht, in der Opposition mit viel Populismus aus der Hüfte zu schießen.

Warum zeigt die SPD in der Koalitionsfrage keine Geschlossenheit?

Dass wir bis 2009 zur Koalition stehen, habe ich diese Woche dem Präsidium klar gemacht. Unsere Mitglieder dürfen dennoch frei ihre Meinung äußern – wir sind schließlich keine Einheitspartei.

Interview: André Böhmer, Sven Heitkamp