Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 11.09.2007
Geheime Zeichen - Union will Wirtschaftskurs gegen SPD forcieren / Ost-CDU gilt als großer Sorgenfall
Manfred Kolbe, MdB: „Der Niedergang der CDU in Sachsen unter Georg Milbradt..."
Berlin. Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel will im Wahlkampf 2009 nicht nur als Klima-Managerin, sondern auch als Kanzlerin des wirtschaftlichen Erfolges punkten. Dazu könnte auch eine Wiederbelebung des auf dem Leipziger Parteitag eingeschlagenen Reformkurses zählen, den manche derzeit, Stichwort Kopfpauschale, als „neoliberal“ abgehakt haben. Man wolle keinesfalls „in der Furche“ abwarten, wie sich ihre Popularitätswerte durchsetzten gegen eine mit sich selbst ringende SPD, die sich im Würgegriff der Linkspartei befände. Und die Union, so wie sich die Planer um Merkel nach Informationen dieser Zeitung das vorstellen, will andererseits auch nicht der FDP von Guido Westerwelle allzu viel Spielraum freiwillig bieten. „Westerwelle muss seine FDP nach der nächsten Wahl in die Regierung führen, ob mit uns oder mit der SPD, sonst ist der weg vom Fenster“, beschreibt ein engerer Merkel-Begleiter die Lage schnörkellos.
Wirtschaftspolitisch will man dem Partner SPD die voraussichtlich guten Zahlen für den Arbeitsmarkt, das Wachstum, die Lohn- und Rentenentwicklung abluchsen. Während die sich mit der Agenda 2010 abmühten, wolle die Union auf den „Wohlstand für alle“ mit Angela Merkel als Nachfolgerin von Gerhard Schröder hinweisen. Dazu käme der Hinweis, dass mit der FDP als nächstem Regierungspartner noch sehr viel mehr an Reform möglich sei. Insofern sei das heutige Kontaktgespräch zwischen Union und FDP als Auftakt zu begreifen. Das sind die (noch) geheimen Zeichen im politischen Berlin.
Sorgen macht man sich dagegen über die CDU-Lage im Osten. „Miserabel“ sei die Lage – von Brandenburg (wie fast immer), über Thüringen (schlechte Zwischen-Umfragen) bis zum Kernproblemland Sachsen. Von Mecklenburg-Vorpommern höre man „nichts“. Und für Sachsen-Anhalt erwarten CDU-Planer die Botschaft „Land unter“, sollte Ministerpräsident Wolfgang Böhmer irgendwann auf das Altenteil wechseln. Überall gebe es Motivationsprobleme, wird eingeräumt. Der NPD und anderen Rechten werde nicht massiv genug entgegengetreten, die Linkspartei sei im Osten „auch unser Problem, nicht nur eines für die SPD“. Zugleich wird eingeräumt, dass bei den nächsten Landtagswahlen in Hessen, Hamburg und Niedersachsen die CDU Gefahr laufe, eher nicht als Gewinner zu erscheinen, weil man dort bei den letzten Wahlen groß abgeräumt habe.
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt, der CDU-Sturkopf mit wenig Sympathiepunkten bei der Kanzlerin, gilt für einige in den Hauptstadt-Zentralen von Regierung und Union sogar als besonderer Blaulicht-Fall. Missmanagement, gestörte Kommunikationsfähigkeiten, schlechte Personalauswahl, sogar der Vorwurf der „Skandalwirtschaft dank merkwürdiger Eigenbrötlerei“ macht in Berliner Zentralen die Runde.
Nicht viel besser fällt die Bilanz des sächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten Manfred Kolbe aus. „Der Niedergang der CDU in Sachsen unter Georg Milbradt macht mir große Sorge. Noch vor wenigen Jahren unter Kurt Biedenkopf war Sachsen ein Bollwerk der Union im Osten mit zuletzt 57 Prozent der Wählerstimmen. Nach dem jüngsten katastrophalen Missmanagement droht in Sachsen sogar eine Linksregierung. Dies müssen wir verhindern“, sagte Kolbe kurz vor dem CDU-Landesparteitag gegenüber dieser Zeitung.
Vor Jahren hatte bereits Ex-Regierungschef Kurt Biedenkopf umrissen: Milbradt sei „ein exzellenter Fachmann, aber ein miserabler Politiker“. Das Vorstandsmitglied der Sachsen-CDU, Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, der in Spekulationen immer wieder als personelle Alternative zu Parteichef Milbradt genannt wird, will sich eigentlich nicht mehr äußern. Gegenüber dieser Zeitung lässt er aber als „noch immer gültig“ bestätigen, was er vor einem Jahr über sich, Milbradt und dessen weitere Regierungskarriere erläutert hatte: „Meine politische Heimat ist und bleibt Sachsen.“ Georg Milbradt verfüge „auf seine Art“ über „große menschliche Fähigkeiten“, um ein geliebter Landesvater sein zu können. „Und er ist ein sehr erfolgreicher Ministerpräsident“, um mit Blick auf Milbradt zu ergänzen: „Wenn er das will, wird er es bleiben.“
Von DIETER WONKA