Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 11.09.2007

Angst vor der zweiten Reihe

Um Georg Milbradt muss es ganz schlimm stehen, heißt es in Dresden.
 
Um Georg Milbradt muss es ganz schlimm stehen, heißt es in Dresden. Seine Not muss furchtbar sein, denn: Es ist kein Wahlkampf und er hat dennoch die Bild-Zeitung in sein Haus gelassen. Am vergangenen Freitag erschien eine sahnige Homestory. Da titelte das Blatt "Frühstück bei Milbradt" und teilte mit, Frau Milbradt habe weiche Eier serviert, im Urlaub habe es eine Autopanne gegeben, Milbradt trinke spätabends gerne noch ein Gläschen Rotwein und ansonsten sei die sächsische Regierungskrise überstanden.

So ein Besuch ist kein Zufall, sondern eine Rettungsaktion. In besseren Tagen hätte der Regierungschef sich lieber eine Holzschraube ins Knie drehen, als sich beim Frühstück von Reportern befragen lassen. Am nächsten Samstag ist CDU-Landesparteitag in Sachsen, Milbradt sollte in Mittweida mit vorzeigbarem Ergebnis als CDU-Chef wiedergewählt werden, will er Ministerpräsident bleiben.

Doch es rumort in Regierung und Land. Vor allem der Notverkauf der sächsischen Landesbank macht dem 62-Jährigen zu schaffen. Über Nacht wurde das Institut, das über Irlandtöchter Millionen verspekuliert hatte, an die Landesbank Baden-Württemberg verramscht. Wusste Milbradt von den waghalsigen Transaktionen? Ist es vorstellbar, dass ausgerechnet er, der Ex-Finanzminister mit Sinn für wichtige Details, nicht darüber informiert war? Vor dem Landtag hatte Milbradt kürzlich bestritten, bis in Einzelheiten Bescheid gewusst zu haben.

"Milbradt sagt die Unwahrheit", behauptet jetzt der SPD-Abgeordnete Karl Nolle. Ausgerechnet ein Sozialdemokrat - CDU und SPD regieren gemeinsam in Sachsen. Karl Nolle ist Druckereiunternehmer und unkontrollierbarer Politiker aus Dresden, der schon maßgeblich an der Vertreibung Kurt Biedenkopfs aus der Staatskanzlei mitgewirkt hatte. Jetzt, heißt es in der SPD, habe er sich Milbradt vorgenommen. Und stoppen können ihn seine Genossen, die großenteils mit der Union weitermachen möchten, nicht.

In der CDU wird Milbradt vorgeworfen, er lasse Probleme schleifen, seine Personalpolitik sei "grottig", er erkläre nicht, was er wolle und höre kaum noch zu. Noch schlimmer: In Umfragen ist die CDU unter die 41-Prozent-Marke, das schmerzhafte Ergebnis der Landtagswahl 2004, gefallen. Sie liegt bei 38 Prozent - und das ist unverzeihlich. Unter Biedenkopf holte sie dreimal die absolute Mehrheit, mit Milbradt als Nachfolger brach sie um 14 Prozent ein und jetzt fürchtet sie um die Landtagswahl 2009.

In Dresden kursieren schon Gerüchte über einen angeblichen Plan B, sollten am Wochenende ausreichend CDU-Delegierte die Nase voll haben vom Regierungsstil Milbradts. Dann könnte die Stunde zweier Herren schlagen: die von Steffen Flath, dem Kultusminister, und die von Kanzleramtschef Thomas de Maizière. Flath gilt als Ersatz auf dem Parteichefposten, de Maizière als möglicher Ministerpräsident. Zwar haben beide derlei Gedanken in den vergangenen Wochen zurückgewiesen und Milbradt ihre Unterstützung versichert. Aber das bedeutet bekanntlich nichts.

Dass Milbradt Heckenschützen fürchten muss, weiß er. Er hat ausreichend böse Erfahrungen gemacht. Im Landtag stimmten Abgeordnete aus den eigenen Reihen schon mehrfach gegen ihn - und für die NPD.
von Berhard Honnigfort