Karl Nolle, MdL
Brief von Peter Grohmann an die Bürgerinitiative OB für Dresden, 30.12.2000
Offener Brief an den "Suchtrupp OB" der Initiative OB-für-Dresden
Mir bleibt die Spucke weg, bei soviel Mißachtung von Nolles Engagement, und Bürgersinn
In Dresden macht sich ein Kreis von Bürgerinnen und Bürgern auf die Suche nach einem neuen Ober-bürgermeister. Ein lobenswertes Unterfangen, verspricht es doch Einmischung, wo sonst eher Heraushalten gilt, und Parteinahme gegen das Herrschende, gegen das sonst eher Zurückhaltung angesagt war. Nun ist freilich der Suchtrupp nicht fündig geworden, hat aber mal so ganz nebenbei der Öffentlichkeit gegenüber die bereits designierten und anderen Kandidaten auf die Waagschale gelegt. Sie wurden als zu leicht empfunden - selbst Karl Nolle.
Zu Berghofer, dem Wahlfälscher in spe und unserem Mann von gestern, fand ich nichts Nachteiliges in den Zitaten - aber zu Karl Nolle. Es ist leicht nachvollziehbar, daß ein Mann wie Nolle nicht unbedingt der Kandidat aller Dresdner sein kann, hat er sich doch bei jeder sich bietenden Gelegenheit für das offene Dresden ausgesprochen, für ein Dresden des 21. Jahrhundert, gegen Fremdenhaß und Intoleranz. An Deutlichkeit hat es Nolle da nie fehlen lassen. Das mag ihm zum Nachteil gereichen in der Stadt der vielen starken Auguste.
Nicht nur das. Nolles (denn sie sind ja auch noch zu zweit) haben, unmittelbar nach der Wende, selbst Hand angelegt, um ein erstes Stück Gegenöffentlichkeit zu schaffen, gemeinsam mit einer Handvoll Leuten aus der Stadt. SAX. Ich vermute mal: das war ein teurer Spaß, aber das Stadtmagazin war prägend für die neue politische Kultur Dresdens. Nicht nur das. Zahlreichen Künstlern, Gruppen und Initiativen, denen das Alte weggebrochen war oder nie zur Verfügung gestanden hatte, fanden in Nolles Druckhaus Dresden einen uneigennützigen Partner, Berater und Ermutiger für engagierte Kunst - in Zeiten, wie wir uns erinnern, in denen den Druckern das Wasser bis zum Halse stand. Mag sein, daß pragmatische und großherzige Kulturförderung in der Stadt der Kleinlichkeiten manchen Kleingeistern suspekt schien. Nicht nur das - denn derlei Förderung und politisches Engagement gehörte schon immer zum festen Repertoire von Christel und Karl, war konstituierenden Moment aller ihrer Arbeit jenseits der klassischen Profitmaximierung.
Nicht nur das. Der Betrieb, der auf dem letzten Loch pfiff, hat sich gemausert und ein Mitarbeiter-Beteiligungsmodell realisiert, mit dem Lichtdruck-Museum ein Stück Weltkulturerbe gerettet, Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten, akzeptable Bedingungen für die Beschäftigten geschaffen, wo anderwärts Lohndumping angesagt ist. Nolles Werk.
Nicht nur das. Nolles haben auch eine Vergangenheit, die sich sehen lassen kann. Von ihr zu wissen, war nie schwer. Es gibt Bücher, vielerlei Veröffentlichungen, Interviews, Gesprächsrunden, es gab Reden, Vorträge, Debatten. Anders als die meisten, haben Nolles immer und zu jeder Zeit politisches Profil gezeigt und gelebt: Für eine dem Humanismus, der Demokratie verpflichtete Gesellschaft.
Nicht nur das. Da wird im Kreis der Kandidatensucher gerichtet, und ausgerechnet bei Nolles das Fallbeil geschwenkt: Der Mann hätte nichts für Dresden getan, also untauglich als Oberbürgermeister-
Kandidat der Linken. Schade. An Euch ist ein Stück Realität spurlos vorübergegangen. Keiner von der subalternen Truppe, die sich jetzt aufmacht, Wagner zu beerben, hat auch nur annähernd das an politischer Theorie und Praxis vorzuweisen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Niemand muß Nolle auf die Schultern heben - er wäre zu schwer für die meisten. Wenn so fahrlässig mit offenkundigen Fakten umgegangen wird, wenn so nonchalant Nolles Engagement, Bürgersinn und Haltung mißachtet wird, dann bleibt mir die Spucke weg. Freilich, so hab ich manche der Stadtbürger eben auch kennengelernt: Ignorant bis zur Verzweiflung.
In diesem Sinne, offen und frei woll` mer sei:
Peter Grohmann, einer der wenigen, die auch nichts getan haben.
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