Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 16:33 Uhr, 11.10.2007

Linke legen neues Material in Geheimakten-Affäre vor - Druck steigt

 
Dresden (dpa/sn) - Der Untersuchungsausschuss zur Geheimdienstaffäre in Sachsen gerät durch neue Akten unter Druck. Am Donnerstag übergab die Linksfraktion überraschend mehrere Dutzend Ordner mit Kopien von Ermittlungsakten der Leipziger Staatsanwaltschaft. Im Kern geht es dabei um Material zum Attentat auf den früheren Chef der Wohnungs- und Baugesellschaft in der Messestadt, Martin Klockzin. Er war im Oktober 1994 mit mehreren Schüssen niedergestreckt worden und überlebte den Anschlag schwer verletzt. Die Linken gehen davon aus, dass die Ermittlungen seinerzeit manipuliert wurden.

Zuvor hatten CDU und SPD eine Vernehmung von Zeugen im Ausschuss abgelehnt. Die Opposition warf der CDU/SPD-Koalition eine «Totalblockade» der Arbeit im Ausschuss vor. Das Gremium soll auf Antrag von Linken, FDP und Grünen etwaige Verstrickung von Polizei, Justiz und Politik in Organisierte Kriminalität untersuchen. Die Vorwürfe stammen aus umstrittenen Akten des Verfassungsschutzes. Am Mittwoch hatten externe Prüfer dem Geheimdienst jedoch gravierende Mängel vorgeworfen. So gebe es Anhaltspunkte dafür, dass Akten bewusst manipuliert worden seien.

Bei einer kurzfristig von den Linken anberaumten Pressekonferenz standen am Donnerstag zwei Rechtsanwälte Rede und Antwort, die ursprünglich als Zeugen im U-Ausschuss aussagen sollten. Einer von ihnen war in das Strafverfahren um den Fall Klockzin involviert. Er erhob Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden. So seien die beiden Hintermänner des Attentates lange Zeit nicht entdeckt worden und dann mit vergleichsweise geringen Strafen davongekommen. Das Verfahren gegen sie war gegen Zahlung einer Geldstrafe von je 2500 Euro eingestellt worden. Die Linken wollen nun unter anderem wissen, ob es eine Einflussnahme auf die Justiz gab.

Die Linksfraktion hält die vorgelegten Akten für brisant: «Wie ein roter Faden zieht sich durch die darin behandelten Fälle gegenüber maßgeblichen Verantwortungsträgern der Vorwurf der Rechtsbeugung, Strafvereitelung im Amt, falschen Anschuldigung und Verfolgung Unschuldiger.» Auch die FDP rief die Koalition auf, die Blockade zu beenden. «Die Koalition blockiert derzeit ja sogar die Einvernahme von Zeugen, die überhaupt keine Aussagegenehmigung durch die Staatsregierung brauchen», sagte der rechtspolitische Sprecher der Liberalen, Jürgen Martens.

Die CDU kritisierte das Vorgehen der Linken scharf und sprach von einem «neuen Tiefpunkt der PDS-Desinformationskampagne». Die Linken hätten «aus letzter Verzweiflung fragwürdige "Kronzeugen" für den kläglichen Versuch einer weiteren Skandalisierung» präsentiert. «Es gab erneut wilde Spekulationen ohne jede Beweise. Das Vorweisen von Aktenordnern allein reicht nicht», sagte CDU-Obmann Christian Piwarz laut einer Mitteilung. «Wir fordern die PDS auf, dieses unwürdige Theater zu beenden.»

Der Untersuchungsausschuss ist seit seiner Einsetzung im Sommer umstritten. CDU und SPD hatten wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zum Untersuchungsauftrag kürzlich vorgeschlagen, bis zu einem Urteil des Landesverfassungsgerichtes die geplanten Sitzungen auszusetzen und auch keine Zeugen zu vernehmen. Die Opposition, die den Ausschuss eingesetzt hatte, lehnt dies ab. Die Staatsregierung hatte kürzlich die Herausgabe von Akten unter anderem mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründet. Der Ausschuss will deshalb das Verfassungsgericht in Leipzig anrufen.

Nach Ansicht des Düsseldorfer Rechtsprofessors Martin Morlok ist der Untersuchungsausschuss verfassungskonform. Er sei zuversichtlich, dass die beabsichtigte Klage zur Herausgabe von Akten erfolgreich sein werde, sagte Morlok am Donnerstag. Er soll den Ausschuss bei der Klage vor dem Verfassungsgericht vertreten. Es sei normal, dass eine Regierung versuche, einen Untersuchungsausschuss zu verzögern oder gar zu verhindern, sagte er. Seltener sei es schon, dass einem Ausschuss in seiner Gänze Verfassungswidrigkeit unterstellt werde. Es sei möglich, dass einzelne Punkte des Untersuchungsauftrages vom Verfassungsgericht kritisiert würden, räumte Morlok ein. «Ihm deshalb die Zusammenarbeit zu verweigern, halte ich nicht für begründete.»

dpa hü/su yysn z2 st
111633 Okt 07