Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 12.10.2007

Aktenaffäre: 30 neue Ordner und kein handfester Beweis / Linke präsentiert Zeugen und Prozessmaterial

Ringen um Deutungshoheit / Rückendeckung für die Opposition durch Rechtsexperten
 
Dresden. Der Saal 400 im Dresdner Landtag war bis auf den letzten Platz gefüllt. Vertreter von Fraktionen, Regierung und der Landespresse waren gekommen, um einen Auftritt der Linken zu erleben, der Nachrichtenwert versprach: Erste Zeugen zur Affäre um Geheimakten des Verfassungsschutzes sollten präsentiert werden und reihenweise Akten. Sogar von einer politischen „Bombe“ war im Vorfeld die Rede. Doch der große Knall blieb aus.

Das lag am Szenario selbst. Zwar hatte die Linke auf vier langen Tischen 30 Aktenordner aufgebaut, vermeintlich brisante Seiten waren aufgeschlagen. Nach der groß angelegten Ankündigung blieben am Ende aber nur zwei Fakten übrig: Der Untersuchungsausschuss zur Affäre erhält eben dieses Material aus den Verfahren rund um das Attentat auf den einstigen Juristen der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB), Martin Klockzin. Und der Anwalt eines lebenslänglich Verurteilten kündigte die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Inhaltliches mit Nährwert aber wurde gestern nicht präsentiert, kein einziger Halbsatz.

Dabei kann man einige der Bedenken, die zwei Anwälte gestern vorstellten, durchaus teilen. Ulrich Sommer zum Beispiel, der einen der Klockzin-Attentäter vertreten hatte, sprach von erheblichen Ungereimtheiten beim Prozess. Und der Leipziger Anwalt Steffen Soult meinte: „Es war offenkundig das Interesse, den Beamten aus dem Dienst zu nehmen.“ Damit war jener Polizist gemeint, der gegen die Organisierte Kriminalität (OK) ermittelte, dabei aber selbst ins Visier der Behörden geraten war.

Das Problem dabei ist allerdings, dass all dies seit fünf Monaten bekannt ist. Stichhaltige Beweise aber fehlen und wurden auch gestern nicht präsentiert. Dennoch braucht die Linke solche Auftritte, um wieder die Oberhand in der Affäre zu gewinnen. Denn die Regierung hat den U-Ausschuss längst lahm gelegt, seit sie weder Zeugen noch Akten freigibt. Und die frühere Arbeit des OK-Referats im Verfassungsschutz wurde inzwischen auch als völlig mangelhaft dargestellt. Hinzu kommt ein heimliches Motiv der Linken. Es geht um den Leipziger Volker Külow. In rund einem Monat steht im Landtag die entscheidende Abstimmung zu dessen Stasibelastung auf dem Programm, bis hin zum Gang vors Verfassungsgericht samt Aberkennung des Mandats. Külow, so die Vermutung, wolle sich nun mit Hilfe der Aktenaffäre entlasten.

Rückendeckung erhielt die Opposition gestern dagegen von einem Düsseldorfer Rechtsprofessor. Im Gegensatz zur CDU/SPD-Regierung ist der U-Ausschuss zur Affäre nach Ansicht von Martin Morlok durchaus verfassungskonform. Es sei zwar normal, dass eine Regierung versuche, einen U-Ausschuss zu verzögern oder gar zu verhindern. Seltener sei dagegen die Absicht, einem solchen Gremium komplett Verfassungswidrigkeit zu unterstellen. Er selbst, so Morlok, sei zuversichtlich, dass die Klage zur Herausgabe von Akten erfolgreich sein werde.
Sven Heitkamp/Jürgen Kochinke