Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 06.11.2007

Nolle-Schreiben bringt CDU in Rage

SPD-Abgeordneter geht in E-Mail Regierungschef Milbradt an / Pikante Details über das Ende der Ära Biedenkopf
 
Dresden. Das interne Schreiben war passgenau platziert. Mitte September, einen Tag vor dem CDU-Krisenparteitag in Mittweida, schickte der SPD-Abgeordnete Karl Nolle eine E-Mail an Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. „Mit freundlichen Grüßen“ steht ganz unten, darüber geht es zur Sache. Erst kritisiert Nolle das, was er „die unchristliche Doppelmoral“ der Sachsen-CDU nennt, dann nimmt er sich Regierungschef Georg Milbradt (CDU) persönlich vor. Dieser, schreibt der SPD-Mann, habe Ende 2001 in kleinen Runden den Abgang seines ungeliebten Vorgängers Kurt Biedenkopf (CDU) betrieben – und dabei auch ihn selbst, Nolle, mit brisanten Fakten versorgen lassen.

Dies hat allemal das Zeug zum politischen Eklat. Zwar kursiert die These vom CDU-internen Komplott gegen Biedenkopf als Gerücht seit fünf, sechs Jahren. Schließlich wurde Nolle regelmäßig Belastendes gegen Biko gesteckt – aus CDU-Kreisen, wie er damals behauptete. Jetzt aber geht Nolle den entscheidenden Schritt weiter und spickt sein Schreiben mit Details: Adressen, Daten, Autonummern. Und ohne die Teilnehmer von Milbradts Kungelrunde konkret zu nennen, ist klar, wen Nolle meint: Neben zwei Dresdner Journalisten und einem CDU-nahen Notar sollen es der damalige CDU-Generalsekretär Hermann Winkler sowie „eine eigenwillige Landrätin“ gewesen sein – und natürlich Milbradt selbst.

Dabei ist Nolle auch hier Nolle und würzt das Ganze mit bitterbösen Hinweisen. „Es begab sich zu der Zeit“, schreibt er, „dass ein kritischer Landtagsabgeordneter spät abends noch per Handy erreichbar war und man ihm so regelmäßig Themen empfehlen konnte, nach dem Motto ,Sie könnten ja mal fragen ...‘“. Mit dem kritischen Abgeordneten meint Nolle sich selbst und legt gleich ironisch nach: „Nein, moralisch die Hände beschmutzt hat er (Milbradt) sich nicht, das haben möglicherweise andere für ihn getan.“

Ob der SPD-Mann sich damit einen Gefallen getan hat, ist offen. Zwar heizt er so den CDU-internen Zwist um den alten Machtkampf Milbradt–Biedenkopf neu an; zwar gibt er auch dem allgemeinen Misstrauen zwischen den Koalitionspartnern CDU und SPD neue Nahrung. Dabei aber kommt die Tatsache zu kurz, dass er selbst Nutznießer der Durchstechereien von CDU-Seite am Ende der Ära Biedenkopf war, deren mögliche Informanten er nun preis gibt. Darüber hinaus serviert er im Detail Unschärfen. Eine Autonummer zum Beispiel existiert nicht, ein Auto der genannten Marke hat der Journalist damals nicht benutzt. Und Dementis gibt es auch. So sagte Winkler gestern, er habe „nie mit Nolle zusammen gearbeitet, das ist nicht mein Niveau“.

Anlass für Nolles Attacke ist ein Streit mit Kretschmer zum Landesbank-Desaster. Hier hatte der CDU-General behauptet, der SPD-Mann würde „bewusst“ Unwahrheiten über Milbradt verbreiten. Dagegen brachte Nolle seine Anwälte in Stellung – mit dem Ergebnis, dass Kretschmer zurück zog und eine so genannte Unterlassungs-Verpflichtungserklärung abgab. Trotz dieses mittlerweile beigelegten Streits beschäftigt das Thema CDU und SPD weiter. CDU-Fraktionschef Fritz Hähle griff Nolle gestern direkt an: „Die SPD sagt ja selber, dass sie alles im Griff hat – alles außer Nolle.“ Hähles SPD-Pendant Martin Dulig dagegen spielte den Ball zurück: „Karl Nolle weist auf ein CDU-internes Problem hin und nicht auf ein Koalitionsproblem.“
Jürgen Kochinke