Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 17.11.2007

Aktenaffäre: Neue Vorwürfe gegen Buttolo

 
Dresden. Das Tauziehen um die Deutungshoheit in der Affäre um Geheimakten des sächsischen Verfassungsschutzes geht in eine neue Runde. Gestern wurde bekannt, dass Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) offensichtlich einen ehemaligen Polizeiermittler im Bereich Organisierte Kriminalität (OK) ohne triftigen Grund vom Dienst suspendiert hat. Laut Zeit-Online soll es sich dabei um den Leipziger Kriminalisten Georg Wehling handeln. In dem Suspendierungsschreiben werfe Buttolo diesem vor, der Polizist habe Informanten und Akten schlampig geführt sowie unerlaubt Ermittlungsergebnisse veröffentlicht. Darüber hinaus existierten drei Anzeigen, die bei der Staatsanwaltschaft in Dresden und Leipzig vorlägen.

Hier gibt es einige Unklarheiten. So soll Wehlings Anwalt von Strafermittlern mitgeteilt worden sein, dass es die Anzeigen gar nicht gebe. Das Innenministerium wollte dies gestern nicht kommentieren. „Wir äußern uns generell nicht zu Suspendierungsverfahren“, sagte Sprecher Steffen Große.

Die Anzeigen gegen Wehling sind nicht die einzigen Ungereimtheiten in der Aktenaffäre. So war der Polizist im Juli vom Verfassungsschutz als Geheimquelle Gemag enttarnt worden. Wehling habe als Polizist sowie als V-Mann fungiert und damit seine eigenen OK-Recherchen ein zweites Mal verkauft – was sie wertlos mache. Seitdem gelten die Akten als „vergiftet“, Wehling und die Ex-Leiterin des OK-Referats beim Verfassungsschutz firmieren offiziell als die Drahtzieher einer aufgebauschten Affäre. Offensichtlich bestand die Geheimquelle Gemag aber aus mehreren Personen.

Darüber hinaus werfen auch die beiden Prüfberichte der Staatsregierung zur Rolle der Polizei und der Verfassungsschützer Fragen auf. Beide waren unisono zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine handfesten Erkenntnisse zum Wirken krimineller Netzwerke in Sachsen gebe. Im einen Bericht aber wurden Akten zu einem Schlüssel-Fall, der groß angelegten Razzia von LKA-Beamten bei den OK-Ermittlern der Leipziger Polizei, gar nicht erst zur Kenntnis genommen. Im anderen hat die Prüfgruppe lediglich einen einzigen ehemaligen OK-Ermittler beim Verfassungsschutz gehört – obwohl das Referat aus acht bis zehn Mitarbeitern bestand.
Jürgen Kochinke