Karl Nolle, MdL

ZEIT online 20.11.2007 - 17:14 Uhr, 21.11.2007

Sachsen Affäre "Köpfe müssen rollen"

In der angeblichen Sex- und Korruptionsaffäre in Sachsen verlangt der Koalitionspartner SPD Aufklärung von Innenminister Buttolo. Hat er einen Ermittler zu unrecht suspendiert?
 
Der CDU-Minister Albrecht Buttolo hatte den langjährigen Leipziger Chefermittler gegen Organisierte Kriminalität, Georg Wehling, Anfang November vom Dienst entbunden – angeblich, weil er Informanten und Akten nicht ordnungsgemäß geführt haben soll. Die Vorwürfe gegen den Hauptkommissar sind jedoch weitgehend haltlos, wie ZEIT online am Freitag berichtete.

Zum Verhängnis könnte dem Beamten vielmehr geworden sein, dass er den zahlreichen Vorwürfen von Schmiergeldzahlungen, unsauberen Immobiliengeschäften, Erpressungen durch Besuche in einem Kinderbordell und einem versuchten Mordanschlag zu intensiv nachgegangen ist. In die Vorfälle sollen auch Politiker und leitende Mitarbeiter der sächsischen Justiz verwickelt gewesen sein.

Die Vorsitzende des Landtagsinnenausschusses und SPD-Abgeordnete Margit Weihnert forderte Buttolo jetzt auf, bei der nächsten Sitzung des Gremiums am 29. November eine "vernünftige Erklärung" zu der Ablösung des Ermittlers abzugeben. "Es ist an der Zeit, dass der Innenminister die Vorgänge klarstellt und Verantwortung übernimmt", sagte Weihnert. Buttolos wechselnde Positionen hätten seine Glaubwürdigkeit ohnehin bereits beschädigt.

Der CDU-Politiker hatte zunächst vor einem Zurückschlagen der Mafia gewarnt. Inzwischen sieht er keine Anhaltspunkte mehr für kriminelle Netzwerke im Freistaat. Weihnert zweifelt nun, ob Buttolo sich noch als Aufklärer eignet – und ob er überhaupt im Amt bleiben sollte: "Vielleicht braucht man als Innenminister eine andere Person mit einem ganz anderen Hintergrund."

Noch schärfer äußerte sich Weihnerts Fraktionskollege Karl Nolle, der für die SPD im Untersuchungsausschuss zu der Affäre sitzt. "Wenn die Vorwürfe stimmen", so der Sozialdemokrat zu der fragwürdigen Suspendierung Wehlings, "müssen bei den dafür Verantwortlichen in der Staatsregierung Köpfe rollen." Nolle warnte, der Umgang mit dem Leipziger Kommissar könnte weitreichende Folgen haben: "Wie sollen Polizisten weiter in den Rechtsstaat vertrauen, wenn sie erleben, wie ein fleißiger Kripobeamter von seinem eigenen Dienstherren getreten wird?"

Innenminister Buttolo enthielt sich jedes Kommentars zur Personalie Georg Wehling. Man gebe generell "keine Auskunft zu Personalangelegenheiten", sagte ein Sprecher auf Anfrage lediglich. Christian Piwarz, CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, wies darauf hin, dass er die Details der Suspendierung Georg Wehling nicht kenne: "Bei disziplinarrechtlichen Vorgängen hat der Landtag nur bedingt Einsichtsrecht. Das wird vor allem im Innenministerium selbst zu klären sein."

Für die Linkspartei - sie bildet die zweitgrößte Fraktion im Dresdner Landtag - steht fest, dass der Schritt Buttolos parteipolitisch motiviert war. Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Wanderwitz habe im Sommer einer Zeitung verraten, dass es für seine Partei darum gehe, das Thema Korruptionsaffäre "totzumachen", sagte Caren Lay. "Der Umgang mit Wehling ist Bestandteil dieser Strategie."

Die Linkspolitikerin sitzt mit Landtagsabgeordneten von CDU, SPD und der eigenen Partei in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK). Die fünf Parlamentarier überwachen den Verfassungsschutz und sind die Einzigen, die alle 15.600 Seiten, die der Verfassungsschutz über Korruption in Sachsen zusammentragen hat, gelesen haben. Lay erinnert sich noch daran, dass die PKK nach der Lektüre vor einem halben Jahr Innenminister Buttolo einstimmig empfahl, die Hauptbeschuldigten zu suspendieren. "Stattdessen wird Wehling, der ja Zeuge der Aufklärung ist, beurlaubt. Das hat schon ein Geschmäckle", kommentiert das die Abgeordnete.
Von Thomas Datt und Arndt Ginzel