Karl Nolle, MdL
Stuttgarter Zeitung, 28.11.2007
LBBW will Risiken der SachsenLB abwälzen
Mainzer Landesbank wird vollständig in Konzern integriert
STUTTGART. Noch vor Weihnachten soll entschieden werden, ob die LBBW die SachsenLB endgültig übernimmt. Eine Rückgabe gilt als Ultima Ratio. Die Eigentümer verhandeln mit dem Freistaat Sachsen, wer welche Risiken des Instituts übernimmt.
Mit Hochdruck prüfen die Eigentümer der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gegenwärtig, zu welchen Bedingungen eine Übernahme der SachsenLB so gelingen kann, dass die in Leipzig angehäuften Risiken die LBBW nicht zu stark belasten. Man habe noch genau drei Wochen Zeit, um die SachsenLB zu durchleuchten, sagte Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) gestern vor der Landespresse. Gegenwärtig seien der LBBW-Vorstand und seine Fachleute vor Ort, um die Finanzen des Instituts zu untersuchen. Im Lichte der Ergebnisse werden die Eigentümer der LBBW noch vor Weihnachten über Konsequenzen entscheiden. Die Landesbank hat sich die Möglichkeit ausbedungen, die SachsenLB unter bestimmten Bedingungen wieder an den Freistaat Sachsen und die sächsischen Sparkassen zurückzugeben. Seit August fungiert die LBBW als Treuhänderin bei der einzigen ostdeutschen Landesbank.
Tochtergesellschaften des Leipziger Instituts drohen milliardenschwere Abschreibungen, sollte die weltweite Finanzkrise andauern. Insgesamt beläuft sich das Volumen der SachsenLB bei sogenannten ABS-Konstruktionen - Wertpapiere, in denen Forderungen mehrerer Gläubiger gebündelt sind - auf angeblich 30 Milliarden Euro. LBBW-Chef Siegfried Jaschinski hatte einen Rückzug aus Leipzig im Spätsommer als Extremszenario dargestellt, das wohl kaum eintreten werde. Mittlerweile betont man in Stuttgart - wenn auch vorerst nur hinter vorgehaltener Hand -, man sei nicht verpflichtet, dem Freistaat oder den sächsischen Sparkassen beizuspringen, sollte es bei der SachsenLB knüppeldick kommen. Gegenwärtig verhandeln die Verantwortlichen bei der LBBW mit dem Freistaat, wer welche Risiken übernimmt.
Fest steht indes, dass die LBBW ihre hundertprozentige Tochter in Mainz, die Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP), nun auch organisatorisch vollständig in den Konzern eingliedert. "Wir bereiten eine volle Hereinnahme der LRP in die LBBW vor", sagte Oettinger. Gegenwärtig werde ausgelotet, "welche Kompetenzen in Mainz und welche in Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim" angesiedelt werden.
Im Gespräch sei, so ist zu hören, das gewerbliche Immobilienfinanzierungsgeschäft der LBBW in Mainz zu konzentrieren. Im Gegenzug würden Stabsabteilungen der LRP nach Stuttgart umziehen. Die Marke LRP, solle erhalten bleiben. Genauso wie die BW-Bank würde die Landesbank Rheinland-Pfalz eine rechtlich unselbstständige Anstalt, alle zentralen Aufgaben einer Bank würden von der LBBW übernommen. Bereits zu Jahresbeginn wurde das Research zusammengefasst.
Langfristig, so die Einschätzung der LBBW-Eigentümer, seien die Mainzer nicht in der Lage, die betriebswirtschaftlich nötige Verzinsung des Eigenkapitals zu erwirtschaften. "Die Integration ist alternativlos", sagt ein Insider. Als Anfang 2005 die Übernahme perfekt war, sind die Bedingungen für die weitere Eigenständigkeit der Mainzer vertraglich festgelegt worden: Ihre Eigenkapitalrendite muss dauerhaft über 15 Prozent vor Steuern liegen und damit auf dem Niveau, das die LBBW auch für sich definiert hatte, mittlerweile aber auf 20 Prozent erhöht hat.
Zwischen der Stuttgarter und der Mainzer Landesregierung bahnt sich ein Streit darüber an, ob das Land Rheinland-Pfalz am LBBW-Konzern beteiligt werden soll. Es sei nicht im Sinne Baden-Württembergs, dass Rheinland-Pfalz Anteile an der LBBW erhält, sagte der Stuttgarter Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) zu Wochenbeginn. Sein Mainzer Kollege Ingolf Deubel (SPD) hat dagegen signalisiert, das Land sei an einer Beteiligung interessiert. In Mainzer Regierungskreisen zeigte man sich überrascht über die Äußerungen von Stratthaus und Oettinger. "Die Gespräche sind noch ganz am Anfang", heißt es. Diskutiert wird, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung ihre stille Einlage über 300 Millionen Euro in eine Beteiligung umwandeln könnte. Damit erhielte Mainz zwei Prozent an der LBBW. 1992 hatte das Land seine LRP-Anteile an den dortigen Sparkassenverband verkauft. Die rheinland-pfälzischen Sparkassen sind Miteigentümer der LBBW.
Mit gut 80 Milliarden Euro Bilanzsumme ist die LRP deutlich kleiner als die LBBW (458 Milliarden Euro, allerdings inklusive LRP). Bei dem Mainzer Institut arbeiten rund 1500 Beschäftigte. Branchenkenner erwarten, dass Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) auf den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze am Standort dringen wird. "Beck war stets ein guter Torwart, wenn es darum ging, Angriffe abzuwehren", heißt es.
Eine Übernahme der Düsseldorfer WestLB durch die LBBW scheint dagegen immer unwahrscheinlicher zu werden. Man erwarte noch in diesem Jahr eine grundlegende Entscheidung der WestLB-Eigentümer, sagte Oettinger. Das Land bleibe gesprächsbereit. "Das gilt für mehrere Seiten." In den vergangenen Monaten hatte es auch politische Gespräche über ein mögliches Zusammengehen von LBBW und BayernLB gegeben. Sie wurden aber durch den Regierungswechsel in München unterbrochen.
Von Andrea Gregor und Andreas Müller