Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, Seite 5, 06.12.2007

Tauziehen im Milliarden-Poker

Freistaat soll Landesbank mit neuer Bürgschaft helfen / Nolle fordert indirekt Milbradt-Rücktritt
 
Dresden. Es war ein außergewöhnliches Prozedere gestern im sächsischen Landtag: Wachleute schirmten am frühen Nachmittag den Plenarsaal ab – Einlass nur mit Codekarte. Am Rednerpult drinnen stand Regierungschef Georg Milbradt (CDU) und sprach zu den CDU-Fraktionären. Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) und CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer aber hatten zur selben Zeit anderweitig Gesprächsbedarf. Seitlich unter der Pressetribüne hatten sie sich postiert, zum internen Vier-Augen-Gespräch.

Die Szene ist symptomatisch für die Lage derzeit. Seit Tagen machen Horrormeldungen zum Notverkauf der SachsenLB an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Runde, und punktgenau zur Sitzung gestern gab es eine weitere. Der Freistaat, so berichtete das Handelsblatt aus Bankenkreisen, sei bereit, eine Bürgschaft von bis zu einer Milliarde Euro zu übernehmen. Die Garantie solle für mögliche Ausfälle einer „Super-Zweckgesellschaft“ bereitstehen, die die angeschlagenen Fonds Ormond Quay, Georges Quay und Sachsen Funding I unter sich vereint.

Doch in Dresden will man das so nicht bestätigen. Wegen der laufenden Verhandlungen mit Stuttgart seien „Aussagen zur Bewertung oder zum Verfahren verfrüht“, sagte Tillich. „Auch die Zahlen, die derzeit in der Öffentlichkeit genannt werden, sind daher ohne Grundlage.“ In der CDU-Landtagsfraktion wurde Tillich deutlicher. „Auf meine Frage hin hat der Minister gesagt, dass der Freistaat keine solchen Garantien übernommen hat“, betonte Haushaltspolitiker Matthias Rößler auf Anfrage.

Tatsächlich wäre eine neue Bürgschaft politisch heikel. Milbradt hat sich bislang auf die Aussage festgelegt, dass die Wertpapier-Abenteuer der Landesbanker keine Steuergelder kosten sollen. Doch eine Ausfallgarantie müsste vom Landtag genehmigt werden. SPD-Fachmann Karl Nolle zieht Milbradt daher sehr enge Grenzen. „Wir gehen davon aus, dass es zu keinen weiteren Belastungen kommt, das ist unsere Messlatte“, sagte Nolle – und forderte indirekt sogar Milbradts Rücktritt. „Sollte es anders sein, müssen die Verantwortlichen die politischen Konsequenzen ziehen.“

Fraglich ist zudem, ob es bei der Ein-Milliarden-Bürgschaft bleibt. Aus Bankenkreise verlauteten gestern härtere Gerüchte. Demnach sollen die Stuttgarter darauf drängen, dass Sachsen Risiken in einer Gesamthöhe von rund 20 Milliarden übernimmt – oder aber 500 Millionen an die LBBW überweist. Letzteres scheidet aus politischen Gründen aus. Damit scheint es auf die erste Variante hinauslaufen, zumal einer der Riesen-Fonds – der Ormond Quay mit über 17 Milliarden Euro – bereits beim Land liegt.

Linke und Grüne forderten wegen der unabsehbaren Risiken eine Regierungserklärung von Milbradt in der kommenden Woche, und auch die FDP meldete sich zu Wort. „Keine weiteren Steuergelder für das SachsenLB-Desaster“, forderte der Banken-Experte Andreas Schmalfuß. „Die Absicht, Risiken, die in Dublin entstanden sind, jetzt mit Steuergeldern abzusichern, setzt dem Ganzen die Krone auf.“
Von SVEN HEITKAMP und JÜRGEN KOCHINKE