Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 11.12.2007

Singapur-Staatsfonds steigt ein - Großbank UBS verliert Milliarden

Abermals Sanierungsaktion wegen US-Immobilienkrise / Zwei neue Großaktionäre
 
Zürich/Singapur - In einer dramatischen Sanierungsaktion hat die Schweizer Großbank UBS ihre Kapitalbasis wieder hergestellt. Gleichzeitig hat die UBS eingestanden, dass sie sich bei der US-Immobilienkrise weit stärker verspekuliert hat als erwartet. Ihr größter Aktionär wird der Singapur-Staatsfonds.

Die US-Immobilienkrise kostet die UBS AG, Zürich, den größten Vermögensverwalter der Welt, weit mehr Geld als bislang vom Management erwartet: Verwaltungsratsvorsitzender Marcel Ospel kündigte am Montag für das vierte Quartal zusätzliche Abschreibungen auf Wertpapiere von zehn Milliarden Dollar an. Bereits für das dritte Quartal hatte die Bank den Wert ihrer Forderungen, die einen Bezug zu der US-Immobilienkrise haben, um 4,4 Milliarden Dollar abgeschrieben. Entgegen der Einschätzung vom 30. Oktober rechnet die Bank jetzt damit, dass sie im vierten Quartal abermals Verlust machen wird. Auch das Ergebnis für das Gesamtjahr 2007 werde "möglicherweise negativ ausfallen", heißt es in einer Mitteilung der Bank.

Um den Kapitalverzehr auszugleichen, sieht sich die UBS genötigt, in großem Stil neue Aktien auszugeben. Den größten Brocken von umgerechnet 6,6 Milliarden Euro wird der Staatsfonds Government of Singapore Investment Corporation Pte Ltd. (GIC) übernehmen. Er wird damit größter Einzelaktionär der Bank. Aktien im Wert von weiteren 1,2 Milliarden Euro kauft ein ungenannter Investor aus dem Nahen Osten. Zu Gerüchten, wonach es sich um den Staatsfonds des Scheichtums Abu Dhabi handle, wollten Ospel und Vorstandsvorsitzender Marcel Rohner nicht Stellung nehmen. Beide Investoren zeichnen zunächst eine Zwangswandelanleihe, die in spätestens zwei Jahren in Aktien umgetauscht wird und damit schon jetzt zum Eigenkapital gezählt werden kann.

Ein Schlaglicht auf die Bedrängnis der UBS werfen die Konditionen dieser Anleihe: Die UBS wird sie mit neun Prozent verzinsen - weit mehr als mancher US-Wackelschuldner bezahlen muss. Es hätten nur "einige Arbeitstage" zu Verfügung gestanden, um das Sanierungspaket zu schnüren, sagte Ospel. Weiterhin will die UBS ihre unveränderte Dividende für das Jahr 2007 nicht in bar, sondern mit neuen Aktien bezahlen. Auch den Aktienrückkauf der vergangenen Monate macht die Bank rückgängig: Aufgenommene Aktien im Wert von etwa 1,2 Milliarden Euro werden wieder verkauft, hat der UBS-Verwaltungsrat beschlossen.

Der seit Sommer amtierende Vorstandsvorsitzende Rohner begründete in einer telefonischen Pressekonferenz das Notpaket und die neuerlichen Abschreibungen damit, dass "sich die Situation in den USA immer weiter verschlechtert" habe. Durch die Maßnahmen erhöhe sich das Kernkapital um beinahe zwölf Milliarden Euro. Zu einem Teil setzt die UBS jetzt Forderungen in Zusammenhang mit dem US-Immobilienmarkt nahezu auf null; eine Gruppe anderer Papiere setzt sie jetzt mit 55 Prozent ihres Nominalwertes an und eine dritte Gruppe mit 77 Prozent. Der gesamte Buchwert der entsprechenden Papiere verringert sich von 39 auf 29 Milliarden Dollar.

Singapurs Regierung begründete ihren Einstieg bei der UBS mit dem Potential der Bank. "In der Regel bevorzugen wir kleinere Beteiligungen", sagte GIC-Vizepräsident Tony Tan Keg Yam vor Journalisten in Singapur. "In diesem Fall haben wir uns trotzdem für ein bedeutendes Investment entschieden, weil wir Vertrauen in das langfristige Wachstum der Bank haben." Managementverantwortung oder gar Kontrolle der Bank strebe der Staatsfonds jedoch nicht an. UBS-Chef Ospel schloss nicht aus, dass der GIC einen Sitz im Verwaltungsrat erhalten werde; Yam sagte dazu, er erwarte ein entsprechendes Angebot.

Der GIC verwaltet nach eigenen Angaben "weit mehr als 100 Milliarden Dollar". In seiner Führungsequipe sitzen nur mächtige Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Ganz oben im Organigramm steht der Name des mittlerweile 84-jährigen Staatsgründers Lee Kuan Yew. Die anderen Großaktionäre der UBS sind zwei New Yorker Treuhandgesellschaften. Die Namen, die dahinter stehen, werden von der UBS nicht genannt. Ein gutes Drittel der Aktien ist nicht eingetragen, ihre Besitzer sind damit nicht bekannt - aber auch nicht stimmberechtigt. Der Kurs der UBS-Aktie zog am Montag trotz der Abschreibungen um 1,4 Prozent an, ohne dass die Gründe dafür klar wurden. Die Ratingagentur Fitch setzt ihre Bonitätsnote um eine Stufe nach unten.
Von Gerd Zitzelsberger und Oliver Meiler