Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 11.12.2007

„Das wäre der Super-Gau“

SPD-Abgeordneter Nolle: Situation um SachsenLB hochdramatisch / Stuttgart fordert höhere Bürgschaft
 
Leipzig/Stuttgart. Die Finanzkrise bei der Sächsischen Landesbank (SachsenLB) spitzt sich weiter zu und stellt den Freistaat vor ungeahnte finanzpolitische Probleme. „Die Situation ist hochdramatisch“, sagte der SPD-Abgeordnete Karl Nolle gestern dieser Zeitung. Er wisse aus zuverlässigen Quellen, dass die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) damit droht, die im August ausgehandelte Übernahme der angeschlagenen SachsenLB platzen zu lassen, weil sich das sächsische Institut weit stärker als bislang bekannt am US-Hypothekenmarkt verspekuliert habe. Die Stuttgarter forderten vom Land Sachsen eine mehrere Milliarden Euro schwere Risikobürgschaft, so Nolle. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung geht es um eine Bürgschaft von 4,3 Milliarden Euro, was ungefähr einem Viertel des gesamten sächsischen Landeshaushalts entspräche. „Für Sachsen wäre das der finanzpolitische Super-Gau“, so Nolle – da das Land aus seinem Haushalt laut Gesetz nur zehn Prozent, also rund 1,7 Milliarden Euro mobilisieren könne.

Hintergrund für die nachgelegte Bürgschaftsforderung – zuletzt war von einer Milliarde Euro die Rede – soll das hohe Risikopotenzial bei der SachsenLB sein, das sich auf 43 Milliarden Euro belaufen soll. Der Sprecher des sächsischen Finanzministeriums, Burkhard Beyer, erklärte dazu, die Summe umfasse das Volumen sämtlicher Kredite in den verschiedenen Gesellschaften und Fonds, also das gesamte Kreditvolumen von Zweckgesellschaften, in denen auch Beteiligungen Dritter steckten.

Die LBBW wollte die Zahlen nicht bestätigen. Es würden derzeit Gespräche der Finanzminister mit der SachsenLB, der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin geführt, sagte ein LBBW-Sprecher dieser Zeitung. Ziel bleibe es, ein tragfähiges Konzept für eine Übernahme der SachsenLB zu erreichen. Sachsens Regierungssprecher Peter Zimmermann bezeichnete die Verhandlungen als sehr schwierig, da es unterschiedliche Bewertungsauffassungen gebe.

Die Stuttgarter waren der SachsenLB Ende August mit einer Kapitalspritze von 250 Millionen Euro zur Seite gesprungen und hatten sich auf eine Übernahme zum 31. Dezember geeinigt. Ende August hatte LBBW-Chef Siegfried Jaschinski im Interview mit dieser Zeitung gesagt, er sei „überzeugt, dass es keine größeren Ausfallrisiken mehr gibt“. Zu diesem Zeitpunkt waren die hochspekulativen außerbilanziellen Dubliner Finanzgeschäfte der SachsenLB von rund 43 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf dem Tisch. Jaschinski hatte auch gesagt, dass das Land Sachsen und die Steuerzahler für all jene Risiken aufkommen, „die wir alle noch nicht kennen und die nicht die Träger der LBBW schultern wollen“. Für solche Fälle müsse Sachsen Eigenkapital nachschießen bis hin zur Rückabwicklung des Notverkaufs an die LBBW. Seither ist der Druck auf die baden-württembergische Landesbank größer geworden. Sie musste wegen der Immobilienkrise in den USA im dritten Quartal selbst 800 Millionen Euro abschreiben und soll schon deshalb nicht bereit sein, größere Risiken der SachsenLB zu übernehmen.

Laut Zimmermann ist Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) nicht direkt in die Gespräche eingeschaltet. „Der Ministerpräsident ist sehr nah dran und intensiv mit dem Thema befasst, aber noch nicht direkt beteiligt“, so Zimmermann. Ob es noch diese Woche im Landtag eine Regierungserklärung Milbradts oder von Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) geben werde, dazu wollte der Sprecher keine Erklärung abgeben.

Linke, Grüne und FDP fordern eine Regierungserklärung, dürften aber an der Koalitionsmehrheit scheitern. Die CDU-Fraktion werde erst heute die Plenarsitzung vorbereiten, sagte Fraktionssprecher Martin Kuhrau.

Im Landtag wird das Verhandlungsergebnis mit großer Spannung erwartet, da es über die politische Zukunft Milbradts entscheiden könnte. Die Linke forderte gestern erneut den Rücktritt des Ministerpräsidenten und der gesamten Regierungsmannschaft. Für Forderungen dieser Art sei nicht die Zeit, sagte Nolle (SPD). Das Problem müsse endlich aus der Welt.
Andreas Dunte/Sven Heitkamp