Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 15:44 Uhr, 12.12.2007

«Stunde der Patrioten» - Sondersitzung des Landtags in der nächsten Woche zu Sachsen LB wahrscheinlich - Experten warnen vor Pleite

Von Tino Moritz und Matthias Hasberg
 
Dresden (ddp-lsc). Die neue Krise um die Sachsen LB bringt die Staatsregierung unter erheblichen Druck. Im Landtag führte dies am Mittwoch zu einer neuen Frontenbildung der politischen Lager. Der Chef der oppositionellen FDP-Fraktion, Holger Zastrow, sprach von einer «Stunde der Patrioten», in der es darum gehen müsse, den Schaden für den Steuerzahler so gering wie möglich zu halten. Ein Rücktritt von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), für den sich die Oppositionsfraktionen Grüne und Linke aussprachen, scheint nach dem für Sonntag vorgesehenen Ende der Verhandlungen zum Verkauf der Sachsen LB an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) nicht mehr ausgeschlossen. Milbradt hatte bereits im Sommer seine politische Zukunft mit dem Schicksal der Sachsen LB verbunden.

Laut Medienberichten zieht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Schließung der Landesbank ins Kalkül, die Behörde selbst gab dazu keine Stellungnahme ab. Zudem soll nicht nur die LBBW von Sachsen wegen der Risiken eine Ausfallgarantie in Höhe von 4,3 Milliarden Euro verlangen. Laut einem Bericht der Zeitung «Die Welt» fordert auch Baden-Württemberg zusätzlich 500 Millionen Euro für eine Kapitalerhöhung.

Der Leipziger Banken-Experte Jürgen Singer sagte, bei einer Pleite der Sachsen LB kämen auf die Bürger erhebliche Belastungen zu. Da die öffentliche Hand und damit die Haushalte von Freistaat und Kommunen in der Haftung seien, könnte jeder Einzelne von den Auswirkungen etwa in Form von ausbleibenden Investitionen in die Infrastruktur betroffen sein. Der Bielefelder Wirtschaftshistoriker Christoph Kopper sagte, die Pleite einer Landesbank wäre ein absolutes Novum in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte.

Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) warb im Landtag um Verständnis dafür, angesichts der laufenden Verhandlungen keine konkreten Fakten nennen zu können. «Jede Zahl wäre nur eine Momentaufnahme», sagte der Minister. Er betonte, dass Sachsen die Forderung der LBBW, alle derzeit erkennbaren Risiken mit einer Landesbürgschaft allein abzudecken, nicht erfüllen könne. Dies sei «angesichts unserer Gesetzes- und Haushaltslage unmöglich».

Neben CDU-Fraktionschef Fritz Hähle forderte auch FDP-Amtskollege Zastrow ein Zusammenrücken des Landtags ein. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mario Pecher, schloss sich dagegen ausdrücklich Linksfraktionschef André Hahn, dass es sich bei der Krise um das «Aufarbeiten politischer Fehlentscheidungen der CDU» handele. Rücktrittsforderungen an Milbradt erhob neben Hahn auch Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau: «Ich erwarte, dass sie auslöffeln, was sie uns hier eingebrockt haben - und gehen», sagte sie in Richtung Regierungschef.

SPD-Finanzexperte Karl Nolle sagte, es gebe zur Lösung der Krise nur die Wahl zwischen einer milliardenteuren Rettung oder dem Aus der Bank. Die Frage sei, ob Sachsen noch Partner mit ins Boot holen könne. Fest stehe, dass es sehr teuer werden wird. «Die sonnige Zeit des ausgeglichenen Haushalts in Sachsen ist ein für allemal vorbei.»

Mit einem Antrag, den Landtag mit der Entscheidung über die mögliche Milliardenbürgschaft zu betrauen, scheiterte die Linke an der Parlamentsmehrheit. Die FDP enthielt sich, die Koalition stimmte geschlossen dagegen. Die Linke kündigte unterdessen einen Antrag auf eine Sondersitzung des Landtags in der nächsten Woche an.

(Quellen: Nolle im Deutschlandfunk; alle anderen Politiker im Landtag; Singer und Kopper in ddp-Interviews; Linke in Mitteilung)

ddp/tmo/mwa
121544 Dez 07